Manch einer der drei bis vier regelmäßigen Leser unseres kleinen virtuellen Stadtsammelsuriums fragt sich bestimmt schon seit Stunden entsetzt, was eigentlich bei uns los ist. Seit Dienstag gibt es keine frische Post im Blogfach, der Feed schweigt und die flickr-Bildersammlung wird langweilig, denn man kennt das alles schon. Hier zeigt sich ganz deutlich, dass es Autoren sowie Bei- und Zuträgern mangelt - an Themen allerdings nicht. Was genau geschehen ist, lässt sich schwer rekonstruieren,
Unsere frühere Stammkraft Andi "Alf" Leser tritt nur noch sporadisch bzw. bestenfalls mit tausend Zugen kommentarisch in Erscheinung und verlässt rabenväterlich sogar sein eigenes Logbuch völlig verwaist im virtuellen Raum zurück. Silvio war nicht im Rhein- sondern im Super-GAU und ist technisch entschuldigt. Ich selbst habe ebenfalls jüngst meinen Stamm-Rechner durch höhere Gewalt verloren und bemühe mich, die Daten so gut es geht, wieder aufzutreiben. Zudem gilt es, auch andere Fronten zu erkämpfen. Wieland und ALex versuchen etwas aus ihrem Leben zu machen, zum Beispiel sinnvoll zu arbeiten und haben deswegen verständlicherweise nur eingeschränkt Zeit. Jetzt bräuchte man einen Einwechsel-Edel-Joker, der die Lage im Blick und die Tastatur im Griff hat.
Bis wir einen solchen gefunden haben oder selbst wieder in der Lage sind, die Webseiten, -zeilen und -spalten so zu füllen, wie es unsere Leserschaft zu recht erwartet, bleibt nur der Blick ins Blog-Archiv oder der Gang zu Alternativmedien zum Alternativmedium.
Beispielsweise zur Märkischen Oderzeitung, die wir selbstverständlich trotz aller Widrigkeiten täglich (online) lesen. Uwe Stiehler hat für die heutige Ausgabe etwas Unterirdisches abgeliefert, was mich an meine Grund- und Mittelschulzeit erinnert: Er war nämlich in den Heizkanälen der Stadt unterwegs, die wir Kindern einst als traumhaftes Spielparadies und Heimat zahlreicher Mutproben wertschätzten. Der Mensch ist doch ein Höhlentier und das Geheimnisvolle, welches in der Verborgenheit der dunklen Gänge lag, die sich myzelienartig unter den Wohnkomplexen ausdehnten, zog uns regelmäßig hinab in den warmen Bauch der Stadt. Der Vorteil der Wärmeversorgungsschächte lag darin, dass sie nicht ganz so kloakig waren, wie ihr ebenfalls öfters durchstiefeltes Gegenstück "Kanalisation" (sozusagen der Ausscheidungstrakt der Stadt). Dafür war diese warme Unterwelt auch die gefährlichere, denn sah man sich nicht vor und ging zu weit, stand man mitunter mittendrin im Heizhaus und mit den dortigen Mitarbeitern war auch für Zehnjährige nicht zu spaßen. So hat man es sich jedenfalls erzählt, denn persönlich haben es ich und mein Mut nie bis zum Licht am Ende der Tunnel geschafft.
Nun denn, auch dieser Möglichkeitsraum für Räuber- Gendarm und Heizwerker-Spiele erledigt sich so langsam, denn in Eisenhüttenstadt wird nicht nur überirdisch rückgebaut.
So werden demnächst im Zuge der Hauptstraßen-Sanierung im (nominellen) Stadtzentrum die unter Tage liegenden Wärmerversorgungsanlagen a) demontiert bzw. b) verschüttet. Die Unterwelt verschwindet also, die Halbwelt Eisenhüttenstadts bleibt aber vermutlich. Dass die Idee, die Wärme auf diese Weise zu transportieren in ihrer Zeit wirklich fragwürdig war, wie der Text behauptet, wage ich ein bisschen zu bezweifeln. Denn erstens waren die Strecken innerstädtisch nicht wirklich weit (von hier zum Standort des abgerissenen Heizkraftwerks waren es vielleicht zwei Kilometer), zweitens konnten die Häuser nicht so leicht durch lecke Gastanks explodieren und auch sonst musste man sich wenig Gedanken um die warme Stube machen und drittens gab es für die Kinder der Stadt nebenbei tolle Abenteuerspielplätze a la Alaska.de, nur eher friedlich und unschuldig. In diesem Punkt muss ich aus der Rückschau Straßenmeister Thomas Jehnichen wirklich zustimmen:
"Aber hier runterzugehen, macht[e] immer wieder Spaß."
Jawohl! Recht hat der Mann! - das übrigens auch mit einer weiteren zitierten Aussage, die bestimmt nicht so zweideutig gemeint ist, wie sie klingt:
"Die haben hier damals nichts dem Zufall überlassen."
Wir, die wir auch das Leben der Anderen kennen, vermögen uns durchaus vorzustellen, wer außer uns neugierigen Kindsköpfen durch die Kanäle schlich und lauschte. Da zischte - so gaukelt es uns die Fantasie in die Erinnerung - vermutlich nicht nur heißer Dampf um die Ecke, da hatte manches auch Hand und Fuß. Nun, so angeregt durch die aktuelle Stimulation aus der Zeitung, wünschte man sich, die entscheidenden Stellen der Stadt würden vor der Verfüllung der Anlagen noch einmal eine Heizstollenführung ermöglichen (gern auch gegen Eintritt), damit man Abschied nehmen kann, von diesem nicht zu unterschätzenden Erinnerungsort. Ansonsten bleiben uns die Zeilen aus der MOZ: Eisenhüttenstadt von Unten.