Ist es das Aufbäumen, welches wir uns in Eisenhüttenstadt wünschen? In jedem Fall stimmt die Bilanz der Dezemberpflanzungen, welche die Stadtverwaltung heute
veröffentlichte, alle Gehölzkundler fröhlich, so dass sie in diesem Dezember Alexandras' legendären Laub- und Baumtrauerhymnen "Der Traum von Fliegen" und "Mein Freund der Baum" höchstens noch in Dur summen. Dabei waren es eigentlich traditionell die Fällungsreaktionen, die einst die Stalinstadt ausmachten, begann doch die Stadtgeschichte - so die Sage - mit einem mächtigen Axthieb Fritz Selbmanns, mit dem dem zukünftigen Leitstern einer stählernden Moderne eine Krüppelkiefer als erstes Aufbauopfer dargeboten wurde. Damals offiziell begrüsst, müssen heute alle, die fällen um aufzubauen, im Anschluß Buße tun und in einer Art Ablassgeschäft ihren Seelenfrieden erkaufen:
Zu Fällungen kam es auch auf Privatgrundstücken, um zum Beispiel ein Eigenheim errichten zu können. Weil meist auf diesen Grundstücken kein ausreichender Platz für Neupflanzungen gegeben ist, erhält der Antragsteller von der Stadt auch die Möglichkeit zur Zahlung einer zweckgebundenen Ausgleichsabgabe.
Auge um Auge, Stamm um Stamm - in der deutschen Baumschutzwelt herrscht das alte Testament. Zum Glück - würde nicht nur der erste Waldphilosoph Theophrastos ausrufen. Auch wir als dendrophile Kinder der Eisenhüttenstadt, die wir uns schon immer mit puckerndem Herzchen durch die laubhafte Vielfalt der Pawlowallee staunten, begrüßen diesen Schritt zutiefst. Das beste Holzschutzmittel ist doch immer noch Stehenlassen bzw. Neupflanzen, auch wenn man damals nicht nur im VEB Fettchemie Karl-Marx-Stadt anders dachte, als man die Weltmarke Hylotox 59 entwickelte. Das war aber fast in der Selbmann-Zeit und von dem, was wir heute davon haben, wissen alle Sanierungsexperten in Ostdeutschland ein Lied singen: "Mein Freund der Raum, ist tot..." - jedenfalls bei reichlich Schnitzwerk an den Wohnzimmerwändern.
Auffällig in der herausgebenen Liste ist, dass sich der deutsche Nationalbaum "Eiche" nicht im aktuellen Bepflanzungsprogramm findet, die Linde als slowenischer Nationalbaum allerdings 5 Mal (mit der Diehloer Winterlinde sogar 6 Mal). Ist dies als ein heimlicher Wink einem symbolischen Augenzwinkern gleich auf die zum 01.01.2007 anstehende Einführung des EUROs in der kleinen südosteuropäischen Musterrepublik zu verstehen. Oder sucht man, in dem man die Funktion der Linde als sorbisches Volkssymbol aufgreift, eine stärkere Anbindung an die Lausitz? Aber warum? Aus Vorwegnahme einer kommenden ebenfalls EURO-bedingten
Bilderstürmerei über das architektonische Erbe der DDR, wie sie gerade von Brandenburgs
Vorzeigestaatssekretär in spe in Cottbus fröhlich mitgetragen wird? Ich hoffe inständig (und weiß dabei leider aus längerer eigener Beobachtung, dass die Brandenburger (Lokal)Politik zu fast jeder Kurzsichtigkeit fähig ist) auf Lerneffekte aus diesen Plumpheiten der Stadtverödung und freue mich darüber hinaus ersteinmal auf zukünftige Freundschaft mit Nelkenkirsche, Robinie und Winterlinde im nächsten Frühling, wenn mich der Austrieb wieder hinaustreibt, um den Wald
und die Bäume zu sehen.
Zuvor gilt aber folgendes:
Wünschenswert ist es, wenn diese neugepflanzten Bäume nicht dem Vandalismus und der Zerstörungswut einzelner Bürger zum Opfer fallen.
Und auch wenn man es spitzfindig anders auslegen könnte, schließt dieser Satz nicht nur die einzelnen Bürger, sondern auch Gruppierungen derselben (Graffiti-Gangs, Lynchmobs, Hooligan-Horden, den nationalen Widerstand, Pöbel und Gesocks, grobmotorische/grobmotorisierte Bautrupps und volltrunkene Familienväterrotten nach dem Feierabendbier) mit ein. Ich schließe mich entsprechend ausdrücklich dem Wunsch der Stadtverwaltung an.
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