Langsam reicht es mir
AEH/EKO - heute zweimal in der Presse
Vollends zum Spielball im globalen Stahl-Monopoly werden da natürlich einzelne Standorte und Werke – wie von Arcelor in Eisenhüttenstadt. Hier hat man nach der Wende schon mehrere Eigentümerwechsel und Fusionen der neuen Herren mitgemacht – und hat doch immer überlebt. Heute gilt Eko als eine der modernsten Stahlhütten Europas und, was vor allem zählt, als profitabel. Zudem produziert man hochwertigen Spezialstahl, den Mittal durch die Arcelor-Übernahme gerade dazukaufen wollte. In Brandenburg gibt man sich also nach außen hin gelassen.
In der altgedienten Tageszeitung Neues Deutschland, deren eingeschränkte Verfügbarkeit in der nachwendlichen ostdeutschen Provinz Hermann Kant in seinem Buch "Okarina" einen fast quälend langen Absatz wert ist, bringt heute einen Kommentar zur Arcelor-Mittal-Fusion: Spielball Eko
Die nicht ganz so altgediente Tageszeitung "Märkische Oderzeitung", die daher auch, soweit ich das überblicken kann, keinen nennenswerten Niederschlag im Hermann Kantischen Oeuvre hinterlassen hat, veröffentlicht heute dagegen ein eher belangloses Artikelchen über einen Gewerkschaftsausflug des AEH-Betriebsratsvorsitzendem Holger Wachsmann ins Chinesische. In Peking sah sich dieser in einem Konkurrenzbetrieb um und musste feststellen:
"Das Stahlwerk verlegt seine Stahlproduktion aus logistischen Gründen bis 2010 auf eine 220 Kilometer entfernte Insel im Meer"
Man kann da nur für Usedom und Rügen hoffen, dass dies nicht Signalcharakter für die ostdeutschen Verhältnisse besitzt.
Das Steiersche-Hermannsche-Werk in der Steier-only-Version wurde hier schon einmal kurz vorgestellt. Am gestrigen Dienstag warf nun auch die Märkische Oderzeitung ein Streiflicht auf den Zwischenstand des Mammut-Projektes und hat, was das Interessante an dem Artikel darstellt, gleich auch noch einmal die Leute aus der Nachbarschaft befragt. Meine frühere Interpretationsleistung bezüglich des paradiesfruchtigen Motivs wird allerdings durch eine bedeutende Aussage leicht relativiert:
Apfel ist für Steier ein Markenzeichen wie für Van Gogh die Sonnenblumen.
Ach so - entsprechend ist es doch primär eine Selbstdarstellung des Künstlers, wobei natürlich Künstler sich im Prinzip immer selbstdarstellen, wenn auch manchmal mit thematisch erweiternden Ergänzungen (Weltrevolution, Die bessere Zukunft, Die Unmöglichkeit der Liebe, Alles ist möglich, Das ist keine Pfeife...), die über die Person hinausweisen. Hier ist's also das Eis und die Geologie. Erweitert wird dies demnächst durch das ranke Apfelmännchen auf dem zottligen Urviech von Eckhard Herrmann, dessen Schraubung in den nächsten Monaten ansteht.
Wie sehen nun die Kunstfreunde von der Straße das Werk, wie es bis hierhin gedieh? Janine und Michelle analysieren ganz richtig: "Das ist einmal was Anderes." und hätten woanders gern mehr, dann aber lieber noch etwas Anderes als dieses Andere, nämlich "andere Motive". Ein älterer Mann auf einem Fahrrad findet, dass man sich über Geschmack grundsätzlich streiten lässt, verspürt aber dazu wenig Lust und verfällt in die inoffizielle Stadtsprache ("Grummeln"). Eine wartende Frau kann (und will) nichts mit dem Bild "anfangen". Gut. Da muss es die Jugend richten: Aber auch Sandra und Micha sind nicht ganz auf Motivlinie, "aber immerhin". Nur dass man es nicht so gut von der Straße sieht, wird bemängelt. Vielleicht ist es auch einfach nichts für die Straße... Fazit: Es ist nicht unbedingt an Zankapfel, der sich da giebelt, aber eine alte Liebe wird am Ende auch nicht herauskommen. Warum? Nun, das Mammut ist cortenstählern:
"Das ist ein Material, das schnell rostet, aber nur bis zu einem gewissen Punkt und dann nicht weiter."
Eine alte Liebe aber, die rostet nicht.
Der MOZ-Beitrag: Bald kommt das Mammut
Fernostreport (2005) - in der ZEIT
Wo hat es in Deutschland seit dem Krieg ein solches Bild gegeben: eine Schule inmitten einer Trümmerlandschaft. Das Gymnasium heißt nach der kleinen Oderstadt in der Nähe, aber es liegt wenig fürstlich in dem Plattenbauviertel, das seit Monaten abgerissen wird und vor dessen Blocks sich der Müll der Fortgezogenen türmt.
...
Ja, sicher. Es schrumpfen fast alle Städte im Osten. Aber Eisenhüttenstadt ist nicht jede Stadt. Es ist die Heimat dieser jungen Leute, und die wird gerade abgerissen. Was wird nach dem Abitur? Achselzucken. Na, ist doch klar. Weg von hier. Stuttgart oder Hannover.
Das hatten wir in unserer Bibliografie wohl bislang übersehen: Nichts wie weg – nichts wie hin! Vor etwa einem Jahr als ZEIT-Dossier "Ostdeutschland" erschienen.
AEH aka EKO - im Tagesspiegel
Eko gilt als eine der modernsten Hütten in Europa. Rund eine halbe Milliarde Euro wurden hier seit der Wende investiert. Das Unternehmen ist ein so genanntes integriertes Werk, das die gesamte Wertschöpfungskette abdeckt. Im Hochofen wird aus Eisenerz Roheisen gewonnen, im eigentlichen Stahlwerk wird daraus zusammen mit Schrott und Legierungselementen Rohstahl, der dann im Warmwalz- und im Kaltwalzwerk in die gewünschte Form gebracht wird. Allein das Kaltwalzwerk hat eine überdachte Fläche von 40 Fußballfeldern.
Der Wirtschaftsteil im TAGESSPIEGEL beschäftigt sich mit möglichen Folgen der Arcelor-Mittal-Fusion und hat daher einen Reporter nach Eisenhüttenstadt entsandt. Dessen Bericht gibt es hier online: Nur ein kleiner Stich in den Kessel
Wohl dem, der in hitzigen Tagen wie diesen, die Möglichkeit bekommt, nicht über Stock sondern über See und Teich, über Wellenberg und Wellental zu wandern. Still ruhen die Seen um Berlin dieser Tage sicher nicht, denn "Boat Trip" statt "Road Trip" heisst die Devise für alle die diese Möglichkeit habe und so sieht man auf vom aufgeblasenen Autoreifen bis hin zum Kleincruiser allerlei wassertaugliche Gefährte zwischen Müggel- und Seddinsee herumschippern, die beweisen, dass die südöstliche Berliner Wasserwelt zwischen Karolinenhof und Klein Venedig nicht nur etwas für Optimisten ist, um den üblichen Quotenkalauer einzubauen. Der bebootete Sonnenanbeter (oder auch -flüchter) hat natürlich den entscheidenden Vorteil, dass er ins Wasser poltern kann, wo er möchte und nicht auf die bei Julisonne Ölsardinienbüchsen-gleichen Sandstrandbadestellen zurückgreifen muss. Und wie man so auf der Suche nach einem lauschige Badeplätzchen ist und mit dem Cuddy durch die Fahrrinne donnert um die Strandbader mit einem erhöhten Wellengang zu versorgen, übersieht man fast den auf einer kleinen Insel kurz vor Schmöckwitz angebrachten Wegweiser.
Wo man auch ist und wo man's kaum vermutet: die Heimatstadt ist doch präsent. Man sieht es gut, der Weg nach Eisenhüttenstadt führt hier aus dem Herzen der Hauptstadt im Gegensatz zum Bahnanschluss nicht über Erkner und Gosen und auch nicht durch den naheliegenden Zeuthener See sondern quer über den Seddiner Seel durch die Wernsdorfer Schleuse. Da dies im See- und Kanalgewirr nicht unbedingt ganz eindeutig zu sehen ist, die Wasserstraße durch den Oder-Spree-Kanal Richtung Eisenhüttenstadt aber auch bei der Binnenschifffahrt sehr beliebt ist, besitzt der Weisungspfeil an dieser Stelle eine ganz logische Präsenz.
Mich hat es sehr gefreut über das wunderbare Band des Wassers in direkter Linie mit der fernen Heimat verbunden zu planschen. Und sollte der Regionalexpress eines Tages nicht fahren, dann weiß ich, dass ich nur ein Floß und eine lange Stake brauche, um mich heimtreiben zu lassen. Bequemer ist's natürlich im Bayliner mit Verbrennungsmotor...
[..] a hideous environmental legacy as one of the biggest polluting states in history (the DDR was forced to rely on brown coal as its main source of energy, particularly after the Russians steeply reduced their supplies of oil in the mid 1980s.) As a result, towns such as Eisenhuttenstadt, built as an 'ideal socialist city' in the 1950s, are now heavily polluted ghost towns, where people leave as soon as they can.
Auch der Trabant-Driver bzw. die ausgewertet Mary Fulbrook sitzen einem Irrtum auf, dem man schnell mit einem Besuch begegnen könnte. "Heavily polluted" ist nämlich nicht (mehr) ganz korrekt und wer den Berufsverkehr z.B. an der Berliner Frankfurter Allee mal mit den Fahrrad zu bewältigen versucht hat, weiß, wo die klarere Luft ist... Die im Beitrag geschähte Braunkohlefixierung hat hier in der Grünachsenanlage an der Oder direkt keine große umweltvernichtende Rolle gespielt, was man selbstverständlich für einige DDR-Regionen weiter südlich nicht sagen kann.
Ich glaube auch nicht, dass die Leute aufgrund der Umweltsituation zum Städtle hinaus ziehen. Obendrein wäre uns in der Geisterstadt ein bisschen mehr Geist durchaus willkommen...
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