"Sechs Tonnen pro Quadratmeter müssen die Hochwasserbefestigungen aushalten und das voraussichtlich noch tagelang. Bereits am Wochenende soll es wieder regnen. Und der Katastrophenstab im Innenministerium rechnet mit weiteren Flutwellen. Besonders kritische Gebiete entlang der 167 Kilometer langen Deichlinie gibt es vor allem in der Neuzeller Niederung, in der auch Ratzdorf liegt. Auch an den Dämmen nördlich und südlich von Eisenhüttenstadt treten immer mehr Sickerstellen auf. Teilweise sind sogar ganze Deichstücke verrutscht." (Christine Dankbar: Jetzt kämpfen die Helfer gegen zwei Hochwasserfronten. Der Schaden ist noch unabsehbar. In: Berliner Zeitung, 24. 07. 1997, S. 2)Am 24. Juli 1997 kannten die deutschen Medien nur ein Sommerloch, nämlich das, welches im Oderdeich drohte. Darin ersoff sogar beinahe die Inbetriebnahme des Eisenhüttenstädter Warmwalzwerkes. Heute blättert man im Archiv und wundert sich, wie schnell die letzten 10 schlanken, fast ereignisarmen Jahre so vorüberzogen. Dann geht man zum Radio und hört im Deutschlandfunk die Jubiläumsreportage mit dem bezeichnenden Titel: Schäden beseitigt, nichts gelernt, den womöglich manch Melancholiker auch auf seine Biographie anzuwenden geneigt ist...
Im Magnet gab es dagegen eine Überprüfungsrunde von Polizei und Ordnungsamt, die Eisenhüttenstädtern galt, welche Juli 1997 bestenfalls in ganz hochbegabten Ausnahmefällen aktive Zeitungsleser und Deutschlandfunkhörer waren:
Polizei und Ordnungsamt sind zum wiederholten Mal gemeinsam unterwegs, um die Einhaltung des Jugendschutzgesetzes zu überwachen. Da sich der "Beat-Club" in der Gubener Straße eine Sommerpause gönnt, bleibt allein die Disko "Magnet" im Stadtzentrum.Wer mehr wissen möchte, greift diesmal zur Märkischen Oderzeitung: Razzia am frühen Sonntagmorgen.
Einen Polizeieinsatz ganz anderer Art gab es heute Nachmittag am schönen Frankfurt/Oderaner Bahnhof, dem erstaunlicherweise anders als dem Aschaffenburger nicht der Abriss durch Stadtentwicklung droht, durch den aber eine Kerosinwolke zog, die auch Reisenden mit dem Fahrziel Eisenhüttenstadt ein wenig aufregende Abwechslung im Bahn- und Pendleralltagsallerlei bot.
Nicht so brenzlig ist's für alle Fans von Beate Lanzky und Christian Prütz, die über einen Internetanschluss verfügen. Die beiden Stadtfestgesichter 2008 kann man nun nämlich für die nächsten Monate auf der mittlerweile aktualisierten Webseite zum Stadtfest bestaunen. Alle anderen müssen mit Plakatwand nebenan Vorlieb nehmen.
Zwei andere sympathische Figuren kommunizieren übrigens heute in unserem Nachbarblog No. 1, dem Logbuch-Eisenhüttenstadt.
Leider keine Figuren sind im aktuellen Posting unseres Nachbarblogs No. 2 zu entdecken. Dafür aber die dank des fleißigen Stadtumbaus in Eisenhüttenstadt freigelegte Wand eines (vermutlich) Samuel Coleridge Anhängers, der weiter ging, als wir alle, die wir die englischen Romantiker lieben, und das von Coleridge verwandte Anagramm des Vornamens seiner Liebsten (Sara Hutchinson) statt Tapete auf den Beton auftrug. Vielleicht handelte es sich aber auch um einen Maxim Biller-Fan, der sich verschrieben hat...
Wie dem auch sei, die anstelle der P2-Wohnmaschinen dort demnächst entstehenden Sukzessionsflächen dürften Colerigde besser gefalllen haben, als solch ein schnödes Wand an Wand im Plattenbau. Nur wird dieser Abrissgrund viel zu selten von den dahinterstehenden Triebkräften vermittelt.
Unser Foto des Tages hat dagegen weder mit Lyrik noch mit dem VII. Wohnkomplex und hoffentlich nie etwas mit Abriss zu tun, sondern stellt eine Art Gegenbild zu der gestern hier publizierten Aufnahme dar:
Vom Hotel Prinz Heinrich hat die Spielbude, die früher tagsüber Schulspeisung und abends der Club am Anger war, welcher die Anwohner mit kulturellem Leben versorgen sollte, nicht viel. Und irgendwie puckert ganz tief im Herzchen des Beobachters eine Ahnung, dass hier auch nicht mehr mehr werden wird.
Trotz der allgemeinen, und für die Stadt höchst peinlichen, Vernachlässigung, kann man im Wohngebietszentrum des V. Wohnkomplexes noch Spuren dessen besichtigen, was einst - gerade wegen seiner Profanität - den m. E. stadträumlich interessantesten Platz in der Stadt ausmachte: eine weite, lichte, offene Anlage mit vielen Details und einst auch schmucken Rosenbeeten.
Und als es hier noch Schule, Fotograf, Post (mit Fernsprechkabinen) und Kaufhalle gab, vor der die Anwohner Hunde anbanden, die gar jämmerlich heulten und die Hortkinder neben an in der Mittagsruhe störten, war das Ganze schön mit wimmelndem Volk gefüllt....
Foto: urbanistiques auf flickr
Such-Ergebnisse in Kommentaren
Erstens hat es mich erschreckt, dass die Schule 5 offensichtlich nicht mehr betrieben wird, obwohl doch noch zur Integration Behinderter ein Fahrstuhl eingebaut wurde... Hatte nun damit ...
Die Antwort ist natürlich richtig. Die Arbeit findet sich als Teil einer Wandgestaltung an der ehemaligen Kindertagesstätte im VI. Wohnkomplex am Lilienthalring.Kommentar (1)
Ich bin jüngst auf einen schönen Aufsatz zum Thema "Graffiti" mit dem auffordernden Titel "Stoppt Graffiti - Der Verunstaltung endlich Einhalt gebieten." (Prof. Dr. jur. Gerd Schmidt-Eichstaedt. ...
Thematisch passend erfreut sich Kollege Andi Leser in unserem Partnerblog an der Adventszeit im VI. WohnkomplexKommentar (1)
Kann es sein, dass Hildegard Knef einst wehmütig ein Lied über diesen Wohnkomplex sang: "Im 80. Stockwerk,in dem Haus, das es nicht gibt,in der Stadt, die es nicht gibt, ..." Im Jahr nach der ...
Gerade und zufällig durfte ich entdecken, dass das Kulturland Brandenburg 2006-Programm für Eisenhüttenstadt inklusive der Stadtrundführungstermine doch online verfügbar ist. Den Termin in der ...
Wie mein Führungsabschnittspartner Alf bereits in seinem untenstehenden Kommentar zwischen den Zeilen hervorblitzen ließ, waren wir tatsächlich Teilzeitteilnehmer an der schönen Führung durch den ...
Um es bis zum 12. Wohnkomplex zu bringen, hätte man wohl noch einmal 40 Jahre DDR drauflegen müssen...vielleicht schreibt ja irgendwann jemand einen dys- bis utopischen Roman in der Tradition ...
Wobei Schönheit bekanntlich im Auge des Betrachters zu verorten ist und wer die Stadt kennt, weiß ganz sicher um ihre Qualitäten. It's not your typical industrial place - würde ich mal dreist ...