Wie mein Führungsabschnittspartner Alf bereits in seinem untenstehenden Kommentar zwischen den Zeilen hervorblitzen ließ, waren wir tatsächlich Teilzeitteilnehmer an der schönen Führung durch den II. Wohnkomplex, bei der wir - auch nicht mehr die Allerjüngsten - den Altersschnitt glatt halbierten.
Ein bisschen schade ist es schon, zumal kein erkennbar externer Mitwandersmann sich auf den Marsch durch Hof und Block begab und der ganze Kulturlandjahr-Event damit eine inzestuöse Veranstaltung zu werden drohte. Entsprechend zelebrierte man mehr oder minder durchaus etwas Selbstbezügliches, zumal das Informationsfüllhorn des von der Stadtverwaltung abgestellten Fremdenführers für uns nicht ganz so Fremde nicht so ganz viel Neues über uns ergoß. Immerhin wissen wir jetzt, dass der Wohnblock im südlichen Teil der Alten Ladenstraße der so genannte "Intelligenzblock" war, womit sich vielleicht auch die hübsche Wandgestaltung der beiden Giebel erklären lässt.
Nachdem wir aufgrund einer Kurzzeitabsenz bei der rotwangigen Bäckersfrau (Pfannkuchen und Quark-Mandarinen-Kuchen) in der Saarlouiser Straße nur noch eiligsten Fußes die Ausflugsgruppe zu erreichen vermochten, kegelte uns die Neugier und ein Schwatz mit den Damen im Dokumentationszentrum so frühzeitig wie endgültig aus dem Spiel. Macht aber nichts, denn stadtstrukturell vorgeschädigt durch die Kindheit am Ort haben wir aus unserer Erinnerung einen nicht unerheblichen Sachverstand quasi synergetisch zu einem allgemeinem Wissenspaket zusammengeschnürt und so z.B. ermittelt, wo des Ivo Mariachis so gepriesene Peggy Schmidt einstmals ihr Fenster zum Hof besaß.
Unser darauf folgender langer Marsch fädelte sich an der Perlenschnur der Nordwest-Südost-Grünachse entlang, ausgehend von den um das Halten der Reste einer Pergola bemühten Betonsäulen fast an der Karl-Marx-Straße, vorbei an den verschütteten Schwimmbecken und den Verlassenheiten der Pawlow-Allee bis hin zu den Torhäusern und der - die gefiederte Bewohnerschaft einmal beiseite gelassen - mucksmäuschenstill daliegenden Heinrich-Heine-Allee mit der ordentlich mitgenommenen Imitation der Klatschweiber im Brunnen von Howard Walter, die ganz auf dem Trockenen stehen, wobei das Schicksal mit Ihnen im Vergleich zu Gerd Jaegers Jugendbrunnen gegenüber der jetzigen Realschule noch recht wohlwollend umging, denn an diese schmucke Jugendgruppe, Symbol für den jugendlich-enthuisiastischen Aufbruch in der Frühzeit Eisenhüttenstadts, erinnert mittlerweile nur noch ein sandiger Kreis.
Immerhin lebt Kalif Storch noch hoch als Sgraffito am Erker und zusätzlich hilft Freund Frühling kräftig mit liebestrunknen Staren, saftig-grünem Gras und fröhlich-bunten Blümchen nach, um die ganze Welt im Dritten mehr als ein märchenhaftes Dornröschenreich erfahrbar zu machen, und die Qualifikation zum ostbrandenburgischen Vorzeigeabwanderungszentrum mit ordentlich Tünche zu verschleiern.
Ein paar Menschen trafen wir dann doch noch: erst im NP-Markt, der neben der Polizei befindlich der frischen Konkurrenz hinten bei der Feuerwehr zu trotzen versucht, indem er nun auch Samstag bis 20 Uhr öffnet, was natürlich niemand braucht, und dann auf dem Sportplatz der Fußballfreunde von Aufbau Eisenhüttenstadt, wo sich das Lokalteam mit einem 0:0 Unentschieden vom Kolkwitzer Sportverein 1896 und damit vermutlich auch von der Landesliga Süd trennte. Nicht jeder der älteren Herrn mit ihren Bierbempeln hinter uns im Sitzplatzbereich des Aufbaurunds war darüber sehr erbaut und wir fühlen an dieser Stelle natürlich mit.
Schließlich führte die Tagestour noch durch die Holzwolle inklusive der Bierbar "Schluckspecht", in die wir allerdings nicht mehr einkehrten, da die dort bereits vor dem Ausgabeschalter Eingekehrten mit ihrer Körpersprache recht deutlich vermittelten, dass sie auf unser Einkehren nicht allzu viel Wert legten. Uns zog es daher mehr in den IV. Wohnkomplex, nicht zuletzt um das Wohnstadt-Karree auch vollständig zu erfassen.
Nach einem kurzen Aufenthalt auf der völlig stadtbevölkerungsfreien Agora im langen Schatten der Säulen des Friedrich-Wolf-Theaters trafen wir dann - und dies ist der wahre und schöne Abschluss der Rundreise - auf die Zukunft der Stadt in Form eine jungen Bewohnerin, die so hoffnungsvoll ihre Semmel kauend durch die Magistrale strahlte, dass man selbst tatsächlich wieder an das Gute in der Welt glauben mag.
Unser Fazit: Aus Disziplinierungsgründen ist ein Gruppenstart vor der Touristeninformation in der Lindenallee durchaus eine nützliche Sache, wer aber über grundlegende Fachkenntnis in Bezug auf Stadt und Struktur verfügt, kann sich getrost absetzen und auf eigene Faust erkunden. Spannend ist es ungemein und ich hoffe, dass wir als Blogteam Eisenhüttenstadt demnächst wieder einen Stadtrundgang unternehmen. Wer sich anschließen mag, ist selbstverständlich herzlich dazu eingeladen.