Das Potential der deutschen Sprache in Hinblick auf Mehrdeutigkeit ist manchmal einfach herzig, wie dieses Beispiel aus der Märkischen Oderzeitung zeigt:
Bei der Pressekonferenz im Rathaus geistern die Vorwürfe, die er sich Stunden zuvor im Stadtparlament anhören musste, noch durch den Kopf von Rainer Werner. Auf der Stadtverordnetenversammlung am Mittwochabend gab es am Rande der Haushaltsdebatte einen - für Sozialdemokrat Werner - grundsätzlichen Disput zwischen ihm und dem PDS-Abgeordneten Friedrich Schmidt zur Entwicklung der Stadt. Eisenhüttenstadt sei einmal eine Stadt des Leistungssports gewesen und eine Kulturstadt. Nichts sei davon mehr übrig, wetterte Schmidt. Neu gebaut worden seien nur Häuser und Center, in denen etwas verkauft werde - sonst nichts.
Den Bürgermeister hielt es danach nicht mehr auf dem Stuhl.
Natürlich hielt es das Stadtoberhaupt weiterhin im Drehsessel des bürgermeisterlichen Bureaus. Soviel provokante Durchschlagskraft kann selbst die Partei des Demokratischen Sozialismus mit ihrer parteilich demokratisch-sozialistischenKritik nicht entfalten, als dass hier die Führungs- und Entscheidungsqualitäten des Orts- und Eko-Aufsichtsrat (bei letzterem nach dieser Quelle als Arbeitnehmervertreter) ernsthaft in Frage gestellt werden könnten. Und entsprechend erhob sich der sympathische Lokalpatriot - laut MOZ-Rapport - nur ungehalten körperlich um dem Aufrührer Schmidt entgegen zu schmettern, dass unter seiner Ägide immerhin Schultoiletten saniert wurden. "Die Glorifizierung dieser Zeit ist falsch" meint der Maire de Stahlstadt, womit er sicher recht hat, allerdings das Argument des stadtverordneten Genossen auch nicht sonderlich entkräftet, ja nicht einmal aufgreift. Und irgendwie erscheint es doch selbstverständlich, dass man in einer Kommune irgendwann auch mal die Schultoiletten erneuert. Eine wirklich epochale Leistung ist damit eigentlich noch nicht vollbracht. Dass aber nahezu aktiv das Dokumentationszentrum zu einem Zeitpunkt, zu dem die Debatte um die Aufbereitung der DDR-Vergangenheit einem neuen Höhepunkt entgegeneilt (sh. auch Interview mit Martin Sabrow im Feuilleton der FAZ von heute, S. 43) an den Rand einer Schließung gebracht wird, ist dagegen schon eine große und recht dreiste Leistung.
So sollte man dann vielleicht, in dem Fall der tatsächlichen Aufgabe dieser Kultureinrichtung durch die Stadt, die oben rot gefärbte Stuhlfrage durchaus noch einmal auch im übertragenen Sinn in Betracht ziehen.
Märkische Oderzeitung: Kommune setzt aus Klasse statt Masse
Die Stadt, die wir so lieben, hat es erneut in die Frankfurter Allgemeine Zeitung geschafft. Diesmal ist es der Berliner Autor Christian Saehrendt, der am Donnerstag den 27. April im Feuilleton einen kleinen, sehr lesenswerten Abriss zum Thema "Hundert Jahre Abwanderung aus dem deutschen Osten" liefert. Er geht davon aus, dass das immer mal wieder Gegenstand künstlicher Besiedlung gewesene "Land östlich der Elbe", wozu auch die Verortung eines Stahlwerks in der großindustriefreien Region am Oderufer zu zählen ist, für auf Wachstum oder Status-Quo-Erhaltung ausgerichtete bevölkerungspolitische Massnahmen dauerhaft Bühne des Scheiterns bleibt. 
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