Die Stadt, die wir so lieben, hat es erneut in die Frankfurter Allgemeine Zeitung geschafft. Diesmal ist es der Berliner Autor Christian Saehrendt, der am Donnerstag den 27. April im Feuilleton einen kleinen, sehr lesenswerten Abriss zum Thema "Hundert Jahre Abwanderung aus dem deutschen Osten" liefert. Er geht davon aus, dass das immer mal wieder Gegenstand künstlicher Besiedlung gewesene "Land östlich der Elbe", wozu auch die Verortung eines Stahlwerks in der großindustriefreien Region am Oderufer zu zählen ist, für auf Wachstum oder Status-Quo-Erhaltung ausgerichtete bevölkerungspolitische Massnahmen dauerhaft Bühne des Scheiterns bleibt.
Die Zeit der DDR war aufgrund der geschlossenen Grenze eine Art künstlicher Puffer im natürlichen Weltenlauf. Der Puffer brach 1989 weg und der Weltenlauf sich Bahn. Das Abfließen der Bevölkerung gen Westen begann unmittelbar wieder dort, wo es 1961 mit Zaun und Stein zwangsweise unterbunden wurde. Für 2050 wird für die ländlichen Teile der ehemaligen DDR ein Rückgang der Einwohnerzahl auf ca. 10 Millionen prognostiziert. 2100 sollen es dann nur noch fünf Millionen sein. Der Annahme, dass Einwanderung aus dem slawischen Bereich hier einen mildernden Einfluss auf die Entwicklung ausüben könnte, erteilt Saehrendt eine klare Absage: Wer aus Polen nach Deutschland möchte, sucht sein Heil nicht in Angermünde, Bitterfeld, Eisenhüttenstadt, Schwedt oder Wismar sondern in Bottrop, Hamburg, München, Stuttgart oder Wuppertal.
Die wahre Perspektive für den Osten Deutschlands ist, so der Autor, nicht etwa die Nachbesiedelung durch Personengruppen nichtdeutscher Abstammung sondern, und dies hat zumindest in Hinblick auf das Verhältnis Mensch-Natur etwas Versöhnliches, die eines großen Nationalparks. Das ehemalige Industriestädte wie die unsere in einem solchen bestenfalls als ein zum Pünktchen auf der Landkarte geschrumpften Basislager für naturverbundene Wandersleut dienen werden, ist also nicht unwahrscheinlich. Sollten ein paar Bauelemente der Kernstadt und vielleicht ein Schauhochofen erhalten bleiben, bliebe immerhin der Wert eines kulturhistorischen Zeugnis.