Und weiter dreht sich das Karussel der Eisenhüttenstadt-Popmusik. Waren es gestern die Eschweiler Jecken, die nicht so richtig gern nach Eisenhüttenstadt umziehen wollten, so ist es heute ein eher deskriptiver Ansatz der Neubrandenburger Synthie-Band Melotron. Was vielleicht nicht jeder weiß, ist, dass die Jungens aus Mecklenburg auf ihrem Debütalbum "Mörderwerk" einen zwar nur bedingt den tatsächlichen Eigentumsverhältnissen entsprechenden, aber sehr wohlklingenden Titel namens "Maschinen aus Stahl" (mp3-Schnipsel) veröffentlichten, der mit der folgenden Passage endet:
Perfekt programmiert - In dir installiert - Genial konstruiert - Von Krupp finanziert
Sind qualifiziert - Von Thyssen produziert - Auf Menschen fixiert
Eisenhüttenstadt
Das klingt nun ganz schön heavy mittal nach vom Hardcore-Kapitalismus bis zur Ununterscheidbarkeit durchgewalzten Robotermenschen, die als seelenlose Montanwesen ein Hochofen-Hohelied nach dem anderen auf die industrielle Revolution aus ihren Metallurgen-Herzen schmelzen und ansonsten außer Planerfüllung für die Renditeerwartung ebenso gesichtsloser Anteilseigner nichts im Sinn haben.
Aber wenn man das Stück hört, schmeichelt sich die Synthesizerei so änigmatisch sanftmütig an den Hörer an, dass sich die vermeintliche Dystopie ganz kuschelig anfühlt und man beinahe zu sagen bereit ist: Warum eigentlich nicht? Nicht umsonst erklingt auf dem Album vor dem Stahltitel ein auf diesen vorbereitendes Stück mit dem Text "Du musst keine Angst" haben.
Haben wir nicht! Als geschulte Eisenhüttenstädter waren wir Zeugen einer größeren Zahl von Abstichen, als es alle deutschen U-Bahn-Überwachungskameras je sein werden. Wir repräsentierten die "gefährlichste Spezies der Welt" (
Wir Söhne der Mythen der Metallurgie lernten schon früh, dass von den Prometheen und Pyrphorossi in ihren silbernen Hitzeschutzanzügen nicht nur das Feuer gebändigt sondern sogar Ströme flüssigen Eisens domptiert werden können.
Wer je im Eisenhüttenwerk der Eisenhüttenstadt die Geburt einer Bramme sah, der fürchtet so leicht nichts Musikalisches mehr. Schon gar kein synthetisches "Mörderwerk" aus Neubrandenburg. Allerdings haben wir uns - im Gegensatz zu einer Zeile im Stahl-Text - bislang nicht entscheiden können, "Maschinen zu werden".
Eher treue Maschinisten im Stahlwerk des Lebens.
Stahl is the feel/to harden inside
And when I sometimes tap my furnace/heat starts spinning around
Stahl is the weapon/in my brothers arms
Stahl is your slag which melts me formless
Oh my iron heart which is quite rusty starts swinging back, back, forth and forth...
Moment mal, was ist denn hier los! Camouflage meets Aaliyah!? Jawohl, so ist das Leben der Menschmaschinen bzw. Maschinenmenschen in Eisenhüttenstadt:
Reeducation for the infants? Na klar, ein Blick in Werner Bauers Buch "Ulla" (Berlin: Kinderbuchverlag, 1963) langt ja wohl als Beweis. Andererseits: Constant Pressures/No Scale Can Measure auch das kennen wir und Klein-Erna war - sofern man Karl Mundstock glauben möchte - in jedem Fall "More than a Woman"...:
"Klein Erna! Wer von den wilden Stuhlbeintaktikern, die heute zahm hinterm Lenkrad des SACHSENRING-VERSCHNITT ihre Familien ins Grüne fahren, hat sie nicht gekannt! Noch heute schnalzen sie mit der Zunge: Klein-Erna tanzen sehen und sterben"... (Karl Mundstock: Der Regenbogen steigt. Halle: 1970, S. 15)
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