"wie leicht Grenadine mit Seltz beim Lachen durch die Nase geht [...]", Franz Kafka, Sommer 1911
Man muss nicht unbedingt mit Max (schon wieder Max!) in einem Café Biard - dem Starbucks des letzten Jahrhunderts - sitzen, um sich pudelwohl zu fühlen. Eine kurze Wanderung an der Berliner Spreepromenade im zweiten Licht des Morgens reicht, um sich von einem Schauer Vorfrühlingsstimmung zarte Muster in die (noch) Gänsehaut ziselieren zu lassen. Und woran denkt man nun, wenn einem aus dem Schaufenster der noch ein paar Stunden geschlossenen Meisterschüler-Bar knapp oberhalb der Treppe in Richtung Friedrichstraße ein kleines Bild über die Liebe oder ein anderes in den Weg lacht, wenn nicht daran, wie schön sich die Märzsonne wohl gerade in das angeknickte Straßentrapez des Kernstadtbereichs dieses leichten Schwerindustriestädtchens ca. 120 Wasserkilometer von hier schleicht?
Wir haben es erlebt und wir haben es aus allen erdenklichen und auch einigen unerdenklichen Perspektiven, Winkeln und Neigungen fotografiert. Da wir nicht die Einzigen sind, existiert mittlerweile ein womöglich Terabyte-großes digitales Bildarchiv von dem Bisschen Terra, welches Eisenhüttenstadt belegt.
Das wollen wir mehr nutzen, als jemals zuvor, denn so gelingt es selbst dann, wenn die Geschichten uns nicht zufallen und wenn die Erinnerung in anderen Tundren des Spät- und Unterbewussten als denen der Heimatprägung nach den Mammutknochen unserer Lebensmuster gräbt. Wir wollen damit einerseits der Beschleunigungsgesellschaft Rechnung zu tragen, die permanent mehr nach neuen Eindrücken, denn nach abgenutzten Ausdrücken verlangt und daher nicht selten das schnelle Bild dem langsamen Text vorzieht, sowie andererseits denjenigen, denen die Stadt und Impressionen aus ihr am Gigahertz liegen, in komfortabler Regelmäßigkeit mal wieder eine neue Schwingung zu versetzen. Die Facebook-Gemeinde zu unserem Blog zeigt den Bedarf und wächst in einer Verlaufskurve, die man sonst in Eisenhüttenstadt sehr gut aus der Stadtdemographie kennt - nur in umgekehrter Richtung.
Die Entwicklung ist uns Verpflichtung genug, vielleicht nicht jeden Tag, aber in der Näherung schon (übrigens eine auch bei richtig guten Fotografen sehr beliebte Taktfrequenz), einen fotografischen Stadteindruck gleich einem schnellen Wahrnehmungsglimmern in der virtuellen Facebook-Stadt zu verbreiten, wogegen hier im Blog und wie gehabt vorrangig die Fundstücke in den Schaukasten gesetzt werden, die aus unserer Warte des größeren Aufhebens wert sind.
Ob diese Verkündung des selbstgesteckten Ziels selbst in den Schaukasten gehört, ist diskutierbar. Aber irgendwie muss man auch die Klammer setzen. Und auch darauf hinweisen, dass Facebook als momentan vielleicht einziger ernst zunehmende Google-Konkurrent und zweifelsohne kommende Dominator im Web im Gegensatz zu unserem Blog den Lesern die Möglichkeit bietet, schnell und schwellenarm eigene Eindrücke zu ergänzen, wenn wir unsere, zum Beispiel weil uns in Paris Grenadine mit Seltz durch die Nase schießt, vergessen haben. Hoffentlich nutzen sie es.
Ein roter Platz am Rande der Stadt.
Zur Feier des Tages zeigen wir eine bisher unveröffentlichte Aufnahme einer selten abgebildeten Ecke der Stadt mit granatapfelhaut-orangenem Filter. Das Bild bei Flickr ist übrigens sehr zurecht mit Der Briefkasten betitelt und wenn man über solche Detailverliebtheit nicht wahnsinnig werden würde, könnte man all seine Leidenschaft so der Langzeit-Dokumentation von Briefkästen in Eisenhüttenstadt widmen, wie manche es mit dem Fotografieren von vergessenen Fahnenhalterungen an zahlreichen Laternenmasten der Stadt tun.