Oh wie schön ist der Oktober! Jedenfalls war der gestrige Tag ein solches Herbstsonnenvergnügen, dass ich die entspannte Freudigkeit gar nicht mehr aus den Augen verlieren konnte. So gut gelaunt, und da ich zufällig einmal an einem Wochentag in der Stadt war, habe ich mir beim Bäcker um die Ecke probehalber die Ausgabe der Märkischen Oderzeitung gekauft, nicht zuletzt, da ich die in der Online-Version verfügbaren Beiträge hier im Blog des öfteren nicht immer nur bejubele, sondern ab und an durchaus textkritisch zu zerlegen neige. Mit dem stellvertretenden Redaktionsleiter Andreas Wendt hatten wir hier ja schon einmal diesbezüglich einen kurzen öffentlichen Briefwechsel, in dem ich meinen Anspruch an die Presse des Ortes recht eindeutig darlegte. Nun hat mir nicht zuletzt auch mein Mitstreiter Alf "Andi Leser" am Sonntag noch einmal ins Gewissen geredet und unterbreitet, dass mein Anspruch an eine Tageszeitung sicher nicht der ist, den eine Regionalzeitung erfüllen kann. Und da ich jüngst auch einmal einen Blick in eine Ausgabe der Magdeburger Volksstimme werfen konnte, ist mir inzwischen klar, dass zwischen lokaler und überregionaler Tagespresse einfach Welten klaffen müssen.
Mit entsprechend modifiziertem Erwartungsbild habe ich auf einer sonnigen Parkbank Platz genommen und das Oder-Spree-Journal durchgearbeitet. Und siehe da, die beiden mich hauptsächlich interessierten Beiträge "Kreis macht Kassensturz" von Anke Beißer und "Wie sicher sind die Balkone?" (nicht online) von Cornelia Henrich haben meine Ansprüche an eine klare und informative Darstellung eines lokal relevanten Sachverhaltes voll erfüllt. Nun weiß ich also, dass der Kreis finanziell gar nicht so desaströs dasteht und das die Balkone an den P2-Plattenbauten vermutlich nicht in die Tiefe rauschen. Noch interessanter fand ich jedoch den Leserbrief von Brigitta Heitmüller zum Abrissgeschehen im Friedensweg und besonders im Kiefernweg sowie der Bewirtschaftspolitik ihres Wohnblocks durch die zuständige Gewi. Gerade in Hinblick auf die Interaktion zwischen Leser und Zeitung würde ich mir vom Online-Angebot der Tageszeitung ein weiterreichendes Ausschöpfen der technischen Möglichkeiten wünschen. Man muss den "Citizen Journalism" nicht unbedingt derart zum Leitbild machen, wie es z.B. die Netzeitung in ihrem Projekt Readers Edition tut, aber die bei vielen Online-Angeboten angebotene Möglichkeit zum direkten Kommentieren der Beiträge wünscht man sich schon des Öfteren.
Auch wenn die bisherige Stammleserschaft der Märkischen Oderzeitung nicht unbedingt www-affin ist, so wird auch dieses Blatt in Zukunft neue Leserkreise erschließen müssen. Die Bildung einer das Geschehen begleitende Community, die die Artikel kommentiert, annotiert und korrigiert, nimmt den eigentlichen Journalisten natürlich einen Teil ihrer Meinungsautorität, sorgt aber im Idealfall für einen intensiveren Diskurs, eine stärkere Aktivierung und damit auch Einbindung der Bürger in das Geschehen in der Stadt und zusätzlich erhöhte Zugriffszahlen, die die Webseiten auch für Werbekunden relevant werden lassen. Geschieht dies nicht, suchen sich die (potentielle) Leser eigene Foren im Web 2.0., wie z.B. dieses hier oder stumpfen einfach weg und werden indifferent. Beides kann nicht im Sinne einer Tageszeitung wie der Märkischen Oderzeitung sein. Mir ist selbstverständlich sonnenklar, dass die Entscheidung für eine zeitgemäße Webpräsentation nicht in den Händen der Lokalredaktion, sondern beim Strategischen Management in Ulm und Stuttgart gefällt werden muss, aber es sicher nicht ganz verkehrt, wenn man seine Meinung als Leser in dieser Form öffentlich macht, zumal wir beim Suchwort "Märkische Oderzeitung" von Google aktuell immerhin auf Platz 13 gerankt werden.
Die Webgeneration, die gewöhnt ist, ihren Bedarf an lokalen, regionalen und globalen Informationen aus sehr heterogenen Quellen zu decken, ist ganz bestimmt eine anspruchsvollere und wählerischere Leserschaft als die traditionelle Stammleserschaft des Blattes, und dürfte mit dem bisherigen passiven Webangebot der MOZ kaum erreichbar sein. Der Vorteil der Zeitung ist, dass sie auf lokaler Ebene (noch) keine ernstzunehmende Konkurrenz und daher in gewisser Weise ein quasi Meinungsmonopol besitzt. Dieses franst aber an seinen Rändern durch die Ausbreitung von Web 2.0-Angeboten schon kräftig aus, was im Sinne einer Differenzierung der öffentlichen Sichtweisen sehr zu begrüßen ist. So wünscht man sich, dass via YouTube! o.ä. irgendwann auch ein Pendant zum OSF - das an sich auch eine Art Amateurjournalismus, jedoch mit überholtem Konzept, darstellt - entsteht.
Andreas Wendt hat uns in der Diskussion im August indirekt einen Dialog angeboten ("Das können wir gern mal bei einem vertraulichen Gespräch in der Redaktion besprechen, wozu ich euch herzlich einlade."), was aufgrund meiner unregelmäßigen Anwesenheit in der Stadt sicher vor Ort nicht ganz schnell umzusetzen ist. Allerdings könnte man längerfristig gern mal eine öffentliche Diskussionsrunde zu Verantwortung, Aufgaben und Möglichkeiten einer lokalen Presse , z.B. in den Räumlichkeiten der schönen Stadtbibliothek, durchführen, ins Auge fassen, bei der sich die Zielgruppe und die Zeitungs-/Medienmacher im Dialog zusammenfinden und die Erwartungsbilder ab- jedoch hoffentlich nicht angleichen. Wenn es persönlich sein soll, dann ist dies gern via e.mail möglich. Im eisen.huettenstadt.de-Blog kann übrigens auch jeder Beitrag kommentiert werden, sehr gern auch von der Redaktion des Oder-Spree-Journals. Wir freuen uns in jedem Fall über regelmäßige Rückkopplung zur Rückkopplung.