Auf den ersten Blick verwundert es, dass die Abiturstadt von
Tania la Guerrillera (Tamara Bunke) von Guerilla-Marketing weitgehend unberührt bleibt. Auf den zweiten und gar auf den dritten ist dies aber nachvollziehbar.
Zum einen hatte die
Ejército de Liberación Nacional (ELN) nichts weniger im Sinn, als sich dafür instrumentalisieren zu lassen, fragwürdigen Kram mit mehr oder weniger originellem Tamtam an den Konsumbürger zu bringen. Der Gegenstand ihres Marketings - was man dereinst allerdings "Propaganda" nannte - war nichts Geringeres, als die Freiheit (bzw. was der lateinamerikanische Marxismus damit assoziierte) des (bolivianischen) Volkes. Dass Tanias Begleiter in diesem Kampf - Che Guevara - später ikonisch zu einem Allround-Bestseller aufsteigen sollte und entsprechend skrupellos kommerziell dort vermarktet wurde, wo die Jugend sich nicht so wirklich befreien wollte, aber mit dem politischen Aufstand auf dem Trikot immerhin einen temporären Gegenstandpunkt zur Welt ihrer Eltern auszudrücken versuchte, konnte zu diesem Zeitpunkt niemand ahnen. Im Sinne Ches war diese post-mortem Breitwandkäuflichmachung seines Porträts sicher nicht. Für die Kinder der Vorstadt (bzw. des Vorstands) bedeutete sie aber immerhin die pragmatische Möglichkeit, sich in die Aura des Revolutionären einzuhüllen und dann zwischen Abitur und Studienbeginn ins Palästinesertuch gewickelt, einen abenteurlichen Lebensentwurf in ihrem nicht selten eher sauertöpfischen Umfeld auszuprobieren.
Die Zahl derer, die es aber tatsächlich ernst meinten mit der "Weltrevolution" und der "Befreiung der Unterdrückten" wäre dagegen für das Anwerfen der Siebdruckmaschinerie in den Textilfabriken der westlichen Hemisphäre zum Aufbügeln des unsterblichen Porträtfotos aus der Kamera des
Alberto Korda als Marktgröße kaum zureichend gewesen. Außerdem hatte diese ja etwas ganz anderes zu tun als Che-Shopping.
Heute, im Zeitalter des
Long Tail und der Nischenmärkte, sähe und sieht dies natürlich etwas anders aus. Und dann das: Jigga Jay-Z rappt locker flockig ""I'm like Che Guevara with bling on.." (auf dem Black Album,
Public Service Announcement) zwischen "I got 99 problems but a bitch ain't one" und "Now if you shoot my dog, I'ma kill yo' cat" - so blödsinnig alttestamentarisch war der marxistische
Guerrillero sicher nicht. So gut flexen konnte er aber vermutlich auch nicht. Inwieweit Parallelen zwischen Beyoncé und Tamara zu finden sind, soll hier lieber unbeleuchtet bleiben. Allerdings gibt es Ches Konterfei auch für die
Frau am Strand.
Der zweite Grund, warum Guerilla-Marketing so wenig im Stadtbild Eisenhüttenstadts wahrnehmbar ist, mag dagegen mit der entsprechenden Zielgruppe zusammenhängen. Ein altgedienter Stahlwerker i.R. entspricht sicherlich weniger dem passenden Sinus-Milieu für die Eroberung der Kommunikationswelt mit einem mobilen ICQ-Gerät (Warum ist hier eigentlich niemand auf das Schlagwort
Skyper 2.0 bzw.
Scall 3.0 gekommen) als die hippe
Crowd am Rosenthaler Platz. Daher lässt IXIMobile sein
OGO-Graffiti in der Berliner Torstraße an die Wand bringen und nicht über einem Plattenbaudurchgang im Glogower Ring oder gar in der Magistrale gleich überm Hähncheneck und unterm leuchtenden Bieremblem. Und nebenbei: Dass ich dann hier indirekt auf das Produkt verweise, zeugt schon ordentlich vom Erfolg der Kampagne und davon, wo ich mich gelegentlich aufhalte.
Aber bevor ich zu absolut urteile: Wer weiß denn schon, welche Schriften der jungen Mann im Kopf hatte, der jüngst beim Malen am Bahnhof
polizeilich ge- und erfasst wurde. Im Fußgängerdurchgang zum Empfangsgebäude wirbt immerhin jemand olfaktorisch mit seinem Harn und darüber prangt sich gut lesbar "Antifa" ins Gehirn der Reisenden. Inwieweit diese sich letztlich aufgrund einer solchen sinnlichen Erfahrung hinreißen lassen, den Initiatoren ihre Sache abzukaufen, bleibt Gegenstand der Aufmerksamkeitsforschung.
Eines zum Ansatz der OGO-Vermarkter ähnlichen Verfahrens bedient sich ein namentlich nicht bekannter lokaler Dienstleister, dessen improvisiertes Kalkwandinserat im Wohngebiet Anlass für die vorliegende kleine Betrachtung bot. Er verspricht in gar herzig naiver Weise unter Ausnutzung sämtlicher Klischees der Legasthenie die Lösung von Problemen im Freundeskreis:
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