Eine recht dankbare Form der Beschäftigung mit Eisenhüttenstadt ist zweifellos die Fotografie. Mehr als 3200 Aufnahmen zum Schlagwort allein bei Flickr sind vielleicht nicht allein zahlenmäßig ein überzeugender Beleg für Fotogenität. Der Blick auf die einzelne Aufnahme zeigt jedoch, dass diese Menge nur äußerst selten durch entsprechend ausgezeichnete Kindergeburtstags- oder Hochzeitsdokumentationen unterfüttert ist und überwiegend tatsächlich der Stadtraum die Motivwahl bestimmt. Allein der Kollege vom Stream Kunst am Bau steuert bislang fast 350 aufsehenerregende Aufnahmen zur baugebundenen oder sonstwie in der Stadt verstreuten Kunst bei.
Bei vielen der mit einiger Regelmäßigkeit stattfindenden fotografischen Stadtwanderungen, die er, ich oder wir beide oder auch andere unternehmen, geht es mittlerweile zumeist um die Suche nach einer besonderen Perspektive. Eisenhüttenstadt ist natürlich überschaubar genug, um binnen vergleichsweise kurzer Zeit nah an eine lichtbildnerische Gesamterhebung zu gelangen. Spannend bleibt jedoch, die Nuancierungen im Stadtbild, die leichte und mitunter dank Stadtumbauprogrammen auch gravierenderen Veränderungen und bestimmte Spannungen des Stadtraums differenziert und differenzierend zu fassen.
Als persönliches Ziel steht demnach - wenn man es strikt urheberrechtsdefinitorisch betrachtet - den Schritt vom Lichtbild zum Werk zu vollziehen und vom bloßen Abbilden zum schöpferischen Umgang mit dem vorgefundenen Licht, dem gegebenem Raum und dem verfügbaren technischen Material zu gelangen. Das glückt nicht immer und mit der Zeit wachsen selbstverständlich die Ansprüche. Ein Bild, das mich vor einigen Jahren hin-, weg- und mitgerissen hätte, erscheint mir nun vielleicht aufgesetzt und oberflächlich. Andersherum entdecke ich in den mittlerweile üppig bestückten digitalen Fotoarchiven regelmäßig ältere Bilder, die mir zuvor nie als besonders interessant erschienen, mich aber in einer momentanen Stimmung und sanfter zeitlicher Distanz durchaus genügend berühren, um sie im Hauptstrom des fotografischen Dialogs mit dem Stadtraum abzubilden.
Dass die hochspannende Facette der Abbildung von Menschen in der Stadt ihre persönlichkeitsrechtlichen Grenzen hat, wirkt sich freilich leicht beschränkend auf den Spielraum des Zeigbaren aus. Wer bei Flickr blättert, weiß, dass sich dort nicht jeder immer daran hält. Mir scheint eine gewisses Sensibilität jedoch auch abseits des Rechtsrahmens geboten, weshalb bestenfalls zufällig und/oder verdeckt und/oder aber im Rahmen eines öffentlichen Geschehens tatsächlich Personen auf der visuellen Fahrbahn der Stadtabbildung auftauchen sollten. Wo immer ein Mensch erscheint, greift für mich in jedem Fall die Grundregel der fotografischen Distanz.
Neben den Bildern, in denen ich für mich etwas sehe, das dem ähnelt, was Roland Barthes in seiner Fotografie-Philosophie als punctum beschrieb, gibt es die Hybriden. Diese Bilder finde ich ganz in Ordnung, hübsch oder aus irgendeinem Grund interessant. Aber nicht passend für die Flickr-Hauptauswahl. Diese Aufnahmen schlüpfen bisher vorwiegend in den Photo-Folder der Facebook-Gruppe zum Weblog und finden dort auch ihr Publikum.
Da schließlich Anfragen zur Verwendung einzelner Aufnahmen in anderen Zusammenhängen kommen und Flickr doch eine recht gute Ablagemöglichkeit gibt, habe ich nun einen weiteren Account eingerichtet: www.flickr.com/photos/ehstadtbild. In diesem erscheinen nun mehr oder weniger regelmäßig ebenfalls Aufnahmen aus dieser Kategorie der Hybriden, die unter einer weitreichenden Creative Commons-Lizenz publiziert werden. Die Lizenz ermöglicht eine freie Nutzung der dort veröffentlichten Aufnahmen ohne weitere Rücksprache. Die Ausgangsmotivation bestand darin, unkompliziert Abbildungslücken im Eisenhüttenstadt-Wiki schließen zu können. Ein Nebeneffekt ist: Jeder kann die Fotos dieses Streams für Zwecke seiner Wahl verwenden. Was das genau bedeutet, wird auf dieser Seite erläutert. Ob dafür wirklich Bedarf besteht, weiß ich natürlich nicht. Aber da die Bilder ohnehin existieren, dürfen sie von mir aus ruhig in die Welt ziehen und sich vermehren - was sie ja mitunter ohnehin tun. Jetzt haben sie in diesem Fall und Stream auch den offiziellen Segen ihres Urhebers.