In den Jahren 2003 und 2004 traf die Berliner Journalistin Jutta Voigt für die ZEIT in Berliner Cafés mit Wahlbekanntschaften. So in der Tea-Lounge des Hotels "Ritz-Carlton" auf eine blonde Frau Brinkmann aus Heringsdorf. Das wäre für uns nicht weiter relevant, fände sich in den Erinnerungen dieser Dame nicht folgende Passage, die unbedingt in unser virtuelles Stadtarchiv gehört:
Das Spiel mit der Verführung währt lebenslang: Ich kenne meinen Mann jetzt 30 Jahre, wir haben uns in Stalinstadt getroffen, als er mich in der Lunik-Bar zum Tanz aufforderte. Das Aschenputtel und der Prinz. Na, wie ein Prinz sah Heinz eigentlich nicht aus mit seinen dünnen, langen Haaren und der Hornbrille, aber er hatte so eine liebe Art. Ich war 17 und Elektrodensteckerin im Halbleiterwerk Frankfurt/Oder.
Dem aufmerksamen Leser wird eine Unstimmigkeit sofort ins Auge stechen: 30 Jahre vor dem Jahr 2004 schrieb man das Jahr 1974 und da hieß Stalinstadt schon 13 Jahre Eisenhüttenstadt. Aber womöglich - so eine Vermutung - nicht in der Umgangssprache junger Elekrodensteckerinnen aus Frankfurt/Oder, wo man die Konkurrenzstadt im Süden vielleicht noch immer gern mit dem alten Namen neckte. Das wäre doch eine Möglichkeit? Oder Frau Brinkmann erinnert sich einfach verkehrt. Das wäre eine andere. Daran, dass die kleine Geschichte sehr schön ist, ändert es nichts. Hier der Gesamttext: Wahlbekanntschaften - Konny.
Wie Frau Brinkmann kam auch Walter Kreisel, der Bildhauer dieser Dame, die jahrelang nackt im Beet vor den Goldrahmen der Fenster des Clubs am Anger saß, aus Frankfurt an der Oder. Dort hinterließ er z.B. den berühmten Jungen, der einen Fisch an der Oderpromenade gründlich bearbeitet.
In Eisenhüttenstadt dagegen noch ein zartes Mädchen auf einem Schwebebalken, an das sich manch Schüler der POS Juri Gagarin vielleicht noch erinnert.
Ebenfalls eine - wenn auch kurze - Zeit in Frankfurt/Oder verbrachte 1962 der Getränkehändler Hans Lang. Anlass war ein Prozess wegen "staatsfeindlicher Hetze", desen Gegenstand buchstäblich ein Witz war, in dem es um die Umbennung der Stalinstadt ging:
"Die Ortsschilder der Stadt waren nagelneu. Über NachtSo berichtete es die Netzeitung im August 2001 (eigenartigerweise in einem Spezial zum Tschetschenienkrieg). Der etwas platte Humor hatte bittere Folgen und zwar zwei Jahre und zehn Monate. Auch das wollen wir in unserem digitalen Stadtgedächtnis berücksichtigen. Und uns dabei nicht ausmalen, wieviele Aufforderungen zur Selbstkritik (im besten Fall) vor der FDJ-Gruppe wir uns mit unseren Bloginhalten so vor 25 Jahren mit unseren Inhalten zusammengealbert hätten. Es war sicher nicht alles gut in der DDR...
hatte man den alten Namen, „Stalinstadt“, entfernt. Den Gefangenen
amüsierte das insgeheim – hatte er doch gerade drei Tage zuvor in einer
Kneipe in Henzendorf, die er mit Bier belieferte, über die plötzliche
Distanz der SED zu Stalin gewitzelt, die darin der KPdSU gefolgt war:
Jetzt, wo die offizielle Linie im Staate sich ändere, werde die
Stahlstadt wohl in „Stadt des großen Verbrechers“ umbenannt, die gleich
nach dem Krieg in kürzester Zeit aufwendig aus dem Boden gestampfte
sozialistische Berliner Prachtstraße Stalinallee (heute Karl-Marx- und
Frankfurter Allee) in „Straße des großen Irrtums“."