Mitten in der Nacht gibt es noch als eine Art Spätschoppen ein kleines Exemplar Eisenhüttenstadt-Lyrik, welches man vor einiger Zeit im Rahmen des Kunstprojektes "Augenpost" (mehr dazu hier) wohl an so manchem Leipziger Ampelmasten Dichtung in die Aufmerksamkeit der Passanten zu bringen versuchte. Die gebürtige Nordhausenerin und heutige Leipzigerin Marlen Pelny, deren Texte übrigens letztes Jahr in einem kleinen Bändchen namens "Auftakt" von der Connewitzer Verlagsbuchhandlung verlegt wurde, sorgte dafür, dass Eisenhüttenstadt durch eine winzige Erwähnung Teil eines schönen Projektes ist.
Zwar wurde nicht Marlen Pelny, sondern ihre Projektmitstreiterin Ulrike Almut Sandig am vergangenen Samstag von Kurt Drawert im Feuilleton der Neuen Zürcher Zeitung als Entdeckung herausgehoben. Bei unserer "Erinnerungsarbeit" hilft uns heute Nacht aber Marlen Pelnys "post von dir" mehr als alles glückliche "Streumen" (sehr lesenswert ist es trotzdem!), die wir hier ganz unverschämt zitieren, weil es uns so überraschend nah kommt:
post von dir
die Städte heißen Sydney, Alabama, New York City
Berlin und Eisenhüttenstadt
all diese Namen verändern sich nie
vielleicht die Fassade des Bahnhofs
die Anzahl der Nutten und die der Bäume am Fluß
die Uhrzeit, zu der die Sonne untergeht
die Jahreszeit, in der sie meinen Balkon erreicht
das Tabakangebot für eine Zigarette an der frischen Luft
es ist kein Kinderspiel, einmal tief ein- und aus zu atmen
im Gegenwind geht es nicht um Kilometer, Meile
Stadt, Land, Fluss
es geht darum wie du sagst: orange
orange ist die Zeile "ich bleibe noch hier"
- Marlen Pelny | augen:post -
die Städte heißen Sydney, Alabama, New York City
Berlin und Eisenhüttenstadt
all diese Namen verändern sich nie
vielleicht die Fassade des Bahnhofs
die Anzahl der Nutten und die der Bäume am Fluß
die Uhrzeit, zu der die Sonne untergeht
die Jahreszeit, in der sie meinen Balkon erreicht
das Tabakangebot für eine Zigarette an der frischen Luft
es ist kein Kinderspiel, einmal tief ein- und aus zu atmen
im Gegenwind geht es nicht um Kilometer, Meile
Stadt, Land, Fluss
es geht darum wie du sagst: orange
orange ist die Zeile "ich bleibe noch hier"
- Marlen Pelny | augen:post -
Das Lebensgefühl der Eisenhüttenstädter ihrer Generation präziser zu fassen, auch wenn dies vielleicht/sicher von der Autorin gar nicht derart konkret beabsichtigt wurde, dürfte nicht leicht sein. Die kleine Melancholie, die ganz zufällig greifbare Anknüpfungspunkte mit lokalen tatsächlichen Geschehnissen wie den Umbauplänen am Bahnhof, der Prostitution an der B112 und sogar der Baumvegetation an der Oder (vgl. hier) findet, harmoniert sogar bis in die Auswanderorte (Sydney, Berlin ohnehin) mit denen, die gingen, mit dem Blues der die ganze Welt suchenden und am Ende schon glücklich mit dem "Sich finden" bedienten Kindern der Stadt in der Altersklasse zwischen vielleicht 25 und 35. Und auch Balkon und auch Orange finden sich, auch der Gegenwind und alles andere, das Hierbleiben einmal ausgenommen! Vielleicht käme das Mitnehmen näher, manchmal das Rückkehren...Aber das wäre ein anderes Gedicht.
Natürlich passt's, mag man jetzt einwenden, denn hier spricht nun einmal nicht Eisenhüttenstadt sondern einfach eine typische Stimme einer ostdeutschen Generation und diese ist in Eisenhüttenstadt so, wie eben auch in Leipzig, Halle, Nordhausen oder Großenhain (womöglich auch in Potsdam oder Wismar). So ticken die späten Twens heute einfach, mit ihrem so heimatgebundenen wie weltumspannenden Lebensstil.
Der Vorteil unseres Blog bleibt aber, dass wir soweit gar nicht denken müssen, den möglichen Einwand demnach sanft abperlen lassen können. Denn was wir durch die Eisenhüttenstadt-Brille betrachten, wird spezifisch. Soviel Subjektivität darf und muss sein und ist und ist die Triebfeder dessen, was wir hier tun. Selbst wenn es nichts anderes ist, als Gegenwartslyrik Leipziger Provenienz frei auszulegen.
Bild: ehstiques bei flickr
Natürlich passt's, mag man jetzt einwenden, denn hier spricht nun einmal nicht Eisenhüttenstadt sondern einfach eine typische Stimme einer ostdeutschen Generation und diese ist in Eisenhüttenstadt so, wie eben auch in Leipzig, Halle, Nordhausen oder Großenhain (womöglich auch in Potsdam oder Wismar). So ticken die späten Twens heute einfach, mit ihrem so heimatgebundenen wie weltumspannenden Lebensstil.
Der Vorteil unseres Blog bleibt aber, dass wir soweit gar nicht denken müssen, den möglichen Einwand demnach sanft abperlen lassen können. Denn was wir durch die Eisenhüttenstadt-Brille betrachten, wird spezifisch. Soviel Subjektivität darf und muss sein und ist und ist die Triebfeder dessen, was wir hier tun. Selbst wenn es nichts anderes ist, als Gegenwartslyrik Leipziger Provenienz frei auszulegen.
Bild: ehstiques bei flickr