Die Lausitzmetropole Cottbus steht in letzter Zeit nicht unbedingt für einen übermäßig behutsamen Umgang mit dem, was ihr die DDR an Ästhetischem im Stadtraum hinterlassen hat. Die Umgestaltung der Stadtpromenade zu einem Einkaufszentrum, das pikanterweise den Namen des Malers Carl Blechens trägt, der mit dem "gesprengten Turm des Heidelberger Schlosses" in der ihm typischen romantischen Rafinesse eine Architekturzerstörung ersten Ranges zum prominenten Gegenstand seines Schaffens machte, hat schon einmal den Boden des Verschwindens auf dem Feld der Architektur bereitet. Verschwunden ist in diesem Zusammenhang beispielsweise der Numeri-Brunnen (nach dem einstigen Sudanesischen Präsidenten Gaafar Nimeiry der anscheinend auf seiner Europa-Tournee zu Beginn der 1970er Jahre auch einmal in Cottbus Station machte) und auch das Müther-Sternchen. Dieses allerdings ganz offiziell und im Namen des kommenden Einkaufsspaßes.
In Nacht und Nebel verschwanden dagegen aus dem Cottbusser Stadtbild mehrere Arbeiten des Künstlers Jürgen von Woyski. Immerhin geht man mittlerweile davon aus, dass es sich nicht um schnöde Buntmetalldiebstähle handelt, sondern eher davon, dass ein gezielter Kunstraub vorliegt. Den Arbeiten wird also hoffentlich kein Haar gekrümmt und sie werden also vermutlich entweder in einem Liebhaberhaushalt oder auf dem Kunst-Schwarzmarkt landen. Weg sind sie trotzdem und einige Cottbusser verständlicherweise aufgebracht. Da hier offensichtlich gezielt eine bestimmte Werkgruppe Gegenstand des kriminellen Interesses ist, sollte man auch die im Rest der Republik (u.a. in Eisenhüttenstadt) aufgestellten Arbeiten des im 2000 verstorbenen Bildhauers ganz schnell einmal visitieren und im scharfen Auge behalten. Man darf sich sicher sein, dass die Eisenhüttenstädter es niemals und niemanden verzeihen würden, wenn z.B. von Woyskis Mutter und Kind vom Brunnen vor dem Rathaus auf einmal verschwänden: Eisenhüttenstadt darf kein zweites Cottbus werden! (Ein Satz der übrigens auch in anderer Beziehung nicht verkehrt ist...)
Und nun ganz überraschend die positive Gegennachricht zum Thema. In der Nacht vom 18. zum 19. August 2006 gab es nämlich mitten in Eisenhüttenstadt und noch dazu auf dem mit übermannshohen Zaun eingefriedeten Gelände des Inselbades einen ähnlichen Übergriff auf eine in der DDR entstandene Plastik. Am Morgen fehlte das bronzene Liebespaar von Joachim Karbe und entsetzt starrten die Bürger der Stadt auf die leeren Sockel. Nun, eineinviertel Jahr später, geschah ein kleines Wunder: Die Befürchtung skrupellose Altmetalldiebe hätten aus dem 60 cm hohen Pärchen Schmelzgut gemacht bewahrheitete sich zum Glück nicht, denn das Paar ist wieder da. Ein wahrscheinlicheres Szenario zum Ablauf der Tatnacht ist also, dass sich junge unausgeglichene Rabauken aus der trunkenen Flut ihrer Halbstärke freien Lauf und die nicht ganz leichte Arbeit nicht allzu vom Aufstellungsort wieder fallen ließen. Dort jedenfalls fand sie sich nun am morastigen Ufer des alten Kanalarms wieder und wurde jüngst von einem Spaziergänger schmutzig aber noch immer in Umarmung entdeckt. Der spontane Ausspruch des obersten Kunstverwalters und dazu Museumsleiters der Stadt, Hartmut Preuß, lässt sich dabei durchaus als normativer Hinweis mit dem Zaunpfahl sehen:
"Zum Glück gibt es noch Leute, die mit offenen Augen durch die Stadt gehen"Wenn es um das Wiederentdecken von Kunst im Stadtraum geht, sollte dies wirklich erste Bürgerpflicht werden. Und dies nicht nur bei gestohlenen Werken.
Die Eisenhüttenstädter Sali und Vrenchen resp. das am Kanalarm angespülte Bronzepaar wirken/wirkt angesichts der Reimann-Frage etwas unsicher, sind aber immerhin dem nassen Flussgrab, welches sich in Gottfried Kellers anrührender Romeo und Julia-Adaption "eine halbe Stunde von Seldwyl" entfernt befindet und in Eisenhüttenstadt träge fließend die Grenze der Insel markiert, entronnen.
Nun stehen sie bald wieder wie aus der Zeit gehoben, aber stärker verwurzelt als jemals zuvor, neben dem Außenbecken des Inselbades.
Andere Liebespaare dagegen finden z.B. am schönen Rosenhügel ihre ganz persönliche Antwort und machen den Unterschied zwischen den steinernen, den bronzenen und den fleischlichen Wesen überdeutlich. Letztere haben die tiefere Leidenschaft, leider aber auch erfahrungsgemäß die Vergänglichkeit auf ihrer Seite. Die Zeiten allerdings, dass sie zum Spielball ihrer herzlosen Umwelt werden können, wie es bei Keller beschrieben wird, sind glücklicherweise weitgehend vorbei: Ihr Unglück schöpfen sie sich heute häufig selbst. Auch dies unterscheidet sie von den fremdbestimmten, in Stein gehauenen oder aus Metall geformten Liebenden im Stadtbild.