Alles ist erleuchtet: In der Adventsallee.
Etwas schlichter als das Kristallbäumchen, das Swarowski der Deutschen Bahn in den Berliner Hauptbahnhof pflanzte, ist er vielleicht, aber eben nur etwas: der zentrale öffentliche Weihnachtsbaum in Eisenhüttenstadt mit seinem wallenden Lichterkettenhaar. Blogkollege Andi Leser und ich nutzen heute die wunderbare stille Nacht, die in der Lindenallee etwa mit Einbruch der Dunkelheit d.h. momentan sehr früh beginnt, um uns vollmondig und blogthemenadäquat die Adventszeit des Jahres 2006 zu eröffnen. Da wir die wirklich sehr schön illuminierte Atmosphäre auch mit all denen teilen möchten, die gerade nicht in Eisenhüttenstadt sein können, gibt es hier eine kleine Impression der drei Weihnachtstürme (stählern, steinern, tannen) im Stadtkern:
E.i.h.%C3%BC. : Beim Betrachter soll sowohl das vetraute Gefühl des Schon-mal-gesehen (deja vu) als auch eine Irritation über den als bisher vertraut betrachteten Stadtraum entstehen. Bekanntes und Unbekanntes werden zu einem einheitlichen Werk komponiert.
Bei der Gelegenheit möchte ich darauf hinweisen, dass ein neuer Monat auch ein neues Fotomotiv benötigt. Das novembrige Sammelgebiet Obelisk ist nun abgeschlossen, wird ausgewertet und ich hoffe auf einen schönen Text vom Themenvorgeber Andi Leser für unsere Eisenhüttenstadt-Fotosammlung. Mein Favorit ist übrigens dieses Bild von ehst.tick.
Es bleibt die Frage, in oder auf was wir uns im Weihnachtsmonat verschießen? Und in den Monaten darauf...? Vorschläge bitte hier reichlich posten. Wir bemühen uns dann - je nach Machbarkeit - darum, diese der Reihenfolge nach über die kommenden Jahre abzuarbeiten.
Lunik, geflickrt
hütte deprimiert.Flickr-Fotograf xdrei ist vielleicht nicht der größte Eisenhüttenstadt-Fan, den man auf Erden findet und seine oben zitierte Einschätzung der Stadt ist auch eher die eines oberflächlich Betrachtenden von Außen, aber er hat uns in jedem Fall eines der besten Bilder der Atmosphäre um das Hotel Lunik geliefert, die in diesem Jahr geschossen wurden und das soviel Groove mitbringt, wie Cody ChesnuTTs wunderbares Lied "The Seed" (in der Version mit den Roots bei YouTube), welches mich gerade durch die Berlin-Mitte(r)nacht begleitet...
zeilenbauweise, klassizistisch-stalinistische frühversuche und
plattenbauten dominieren; eine halb-verwaiste hauptstraße (den
hähnchengrill gibt's aber noch) mit blickachse richtung eko stahl,
seitlich quer davor steht ein "city center" (ein ungeheuerlicher euphemismus).
Dafür vielen Dank: So etwas macht man doch gern zum Flickr-Favoriten und trudelt dann ganz smooth mit dieser Heimatimpression ins Hauptstadt-Nightlife. Bitte mehr davon..
Der rattenscharfen Presselandschaft möchte man heute die Hamel(n)-Beine lang ziehen, so prominent ist das Rattenthema. Ausnahmsweise verlassen die Ratten nicht das sinkende Schiff und auch nicht die schrumpfende Stadt, sondern die "sanierte Platte" (Tagesspiegel). Nager- statt Magerkost heißt die Devise für die Ostdeutschlandratte und warnend folgt der Hinweis, dass die in der ewigen Rangliste der Evolution noch vor dem Menschen anpassungsfähigsten Säugetiere als Abwasserratten sogar entgegen der (auch wörtlichen) Bedeutung das Fallrohr erklimmen und die nicht selten als Müllschluckern mitgenutzten Toilettenschüsseln als Fleischtöpfe ansehen. Ist der Deckel dann gehoben, ist das possierliche Tierchen auch schnell im Raum wo Milch und Honig fließen und die Panik der liederlichen Hausfrau entsprechend groß. Die Gefahr ist selbstverständlich immer latent gegeben, wird jetzt aber akut, da der Stadtumbau auch unsere pelzigen Mitbewohner betrifft: Aufgeschreckt von Bohrhämmern und schweren Gas-Wasser-Installateur-Stiefeln wird die quasi mitsanierte Ratte mobiler, als es sogar ihr persönlich lieb sein dürfte. Sie verlässt ihr Rattenloch und so werden bislang unbetroffene Haushalte in gewisser Weise geadelt, greift man auf die Namenstradition deren von Rattenzuhausbeiuns - die Gritta müsste eigentlich jeder aus den Geburtsjahrgängen bis ca. 1980 kennen - zurück.
Und wer weiß, vielleicht bekommen die Mall Rats des City Centers bald knopfäugige Konkurrenz. Oder steckt dahinter eine Warnung im Sinne der "Rättin" von Günther Grass' "über die Sache wachsen lassen"? Grete Rike wurde zwar noch nicht gesehen, aber alle U2 Fans freuen sich über Rattle and Ham auch in der Stahlstadt, jedenfalls bis bis zur letzten Rattion alles rattzekahl gefressen ist und man bestenfalls noch Rattatouille auftreiben kann. Und auch die Botschaft des Rapgroßmeisters Paris erscheint in einem neuen Licht: Sleeping with the enemy, d.h. ist die Katze im Flur, freut sich die Ratte unterm Bett. Merkt der Mensch das, heißt es "rattatat-tat from my gat, swing swing swing with my baseball bat"... Den Kalauer mit dem Ratthaus schenke ich mir aber, auch den Witz mit der vietnamesischen Grillküche: "Gute Ratt ist teuer..." Aber zu erwähnen ist, dass Fachleute gerade in Eisenhüttenstadt von einer besonders großen Arbeitslosenratte ausgehen, die nicht zu ignorieren sei. Zudem käme da noch ein ganzer langer Rattenschwanz nach. Andere meinen, Angst sei in diesem Fall(rohr) ein schlechter Beratter und die von Presse geschürte Panik irrattional...
Und dann ist auch noch zu klären, warum ich - und nur ich - mich kompetent an dieser Stelle zu diesem Thema äußern darf. Warum? Dreimal darfst du Ratten.
Stadtwappenpflege - in der Diskussion
Das vielleicht großartigste Werk der Eisenhüttenstadt-Ikonographie ist aktuell in die Diskussion und damit auch in die Berichterstattung heute in der Märkischen Oderzeitung geraten: das in seiner Art außergewöhnliche Stadtwappen von Johannes Hansky. Richtig kontrovers ist die Debatte allerdings nicht, denn erfreulicherweise sprechen sich alle Beteiligten für die offizielle Verwendung des Hochhofen, Hochaus, Fluß und Friedenstaube führenden Schildes aus. Das ist nicht unbedingt selbstverständlich, schimmern doch in unserem Wappengold deutlich die ästhetischen Vorstellungen aus einem Land vor unserer Zeit durch. Das der gern nach 1990 bis heute (Stichwort: Palastabriss) gefeierte Ikonoklasmus diese kleine graphische Kostbarkeit übrig ließ, ist schon hervorzuheben. Letztlich kann man auch Ines Arnemann danken, deren Jubiläumswappen graphisch soviel hermacht, wie das City Center architektonisch und daher als Identifikationssysmbol völlig ungeeignet ausfiel.
Insofern ist es mehr als schade, dass das Arnemannsche "e" auf der Stadtwebseite als verpixelte Gif-Datei (und als Favicon in der Browserleiste) prominent prankt, so dass auswärtige Besucher tatsächlich annehmen könnten, diese Stadt hätten sich ein solch aussagearmes Signet auf die Fahne gebügelt. In diesem Fall muss man der manchmal vielleicht etwas zu sehr mit dem Herzen engagierten Mechthild Tschierschky beipflichten und Bürgermeister Rainer Werner sowie seinen Stadtverordnetenkollegen Rudi Schmidt fragen, warum man den Hinweis auf das Hansky-Wappen im Webauftritt der Stadt weitgehend versteckt. Dass es keine Verwendung auf den Stadtfestplakaten findet ist dagegen sehr lobenswert. Hier hat das "e" tatsächlich den passenden Anwendungsrahmen...
Nicht zuzustimmen ist der Aussage von Rudi Schmidt, dass es "weitaus wichtigere Sachen für die Stadt" gäbe: Der Kerndefekt in Eisenhüttenstadt - wie es auch in mindestens zwei Studien recht eindeutig untermauert wird - ist eine mangelnde Identifikation der Stadtbewohner mit ihrer Stadt und ein umfassender Rückzug in das Private.
Das kann man sicher auch als Stadtverordnetenversammlung so hinnehmen, man muss sich dann allerdings auch von dem Paradigma verabschieden, dass eine funktionierende Stadt ein funktionierendes Gemeinswesen voraussetzt. Ich habe weder Zeit noch Lust es konkret auszurechnen, aber ich hege die Vermutung, dass eine dysfunktionale Stadtgesellschaft im Endeffekt teurer und ineffizienter ist, als eine forcierte Investition in Gemein(schafts)sinn und Werte.
Das Stadtfest als, zugegeben in seinen Ansprüchen bisher erfolgreiches, Spektakel kann ein Baustein bei der Bildung eines Selbstverständnis' der Eisenhüttenstädter sein, erfüllt jedoch in seinem vorwiegend auf Konsum und Ereignis ausgelegten Kern letzlich hauptsächlich wieder Ansprüche der privaten Bedürfnisbefriedigung. Zudem muss man sich auch klar machen, dass der Erfolg der Veranstaltung überwiegend auf den anreisenden Stadtflüchtern und anderen Auswärtigen, die mal tüchtig einen drauf machen wollen, basiert. Das Image nach innen, welches mir desolater zu sein scheint als die Außenwirkung, kann man mit dieser Art von Veranstaltung aber kaum nachhaltig aufpolieren. Denn die Krise des Öffentlichen in der Stadt betrifft weniger die mehr oder minder erfolgreichen Kinder der Stadt aus aller Welt, die jeden August drei Tage Nostalgie leben und staunen, wieviel schon wieder verschwunden ist, sondern sie wirkt vor allem auf die Psyche derer, die sich ganzjährig mit Rückbau, Schließung und dem Mangel an Perspektive konfrontiert sehen.
Entsprechend wünschte man sich von Dagmar Püschel, selbst wenn klar ist, dass man sich in einer Kleinstadt wie Eisenhüttenstadt in der Lokalpolitik nicht zu weit aus dem Fenster lehnen sollte, weil vieles als persönlich gewertet, nichts vergessen und alles nachgetragen wird, doch eine bestimmtere, mehr Rückgrat aufweisende Aussage als ein schwammiges "Wir sind schon dafür dass das Stadtwappen gut gepflegt wird."
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