Dem der die Eisenhüttenstadt-Gruppen im StudiVZ aufmerksam verfolgt, wird bereits festgestellt haben, dass sich jetzt, da das Jahr 2007 den Endspurt nimmt und die vorweihnachtlichen Haushaltssperren um sich greifen, all die Kinder der Stadt, die sich irgendwo dort draußen befinden, auf die Jahresendheimfahrt einstellen. Entsprechend verwundert es nicht, wenn Wieland, den wir hier am Blog schon lange nicht mehr sahen, in der Gruppe "1220 - Ostküstenbewohner deluxe!" aus seiner Hessischen Neuen Heimat fragt, wer denn den üblichen Weg am Ende des Dezembers zum großen Treffen in den Club Marchwitza und vielleicht dort ein Tänzchen, in jedem Fall ein Schwätzchen wagen wird.
Um dem Unterfangen, dort möglichst viele Mitglieder der Eisenhüttenstädter Diaspora an einem Abend in ihrer ehemaligen Vater- oder Mutterstadt zusammenzuführen, Nachdruck zu verleihen, sei hier die Kernaussage Wielands zitiert:
Marchwitza ist Pflichtprogramm über die Feiertage in EisenhüttenstadtJawohl!
Andi Leser wirft derweil die Distanz als Pfund, mit dem man beim aktuellen Eisenhüttenstadt-Bildwettbewerb wuchern kann, in die Waagschale der Eisenhüttenstadt-Fotografie:
Das Eisenhüttenwerk ist das Wahrzeichen der Eisenhüttenstadt. Es wurde errichtet, bevor die Stadt errichtet wurde. Es ist zu sehen, bevor die Stadt zu sehen ist. Es geht der Stadt voraus, auch im Namen, und es istWährend es Andi Leser aka ehst.tick in seinem Logbuch vorwiegend um die Entfernung geht, lässt die Bildwettbewerbs-Ausschreibung mehr Spielraum. Gesucht werden eigenwillige Aufnahmen des Werkes, bevorzugt solche, die es nie zuvor zu sehen gab.
im Stadtwappen enthalten.
Daher scheint auch diese Fotografie wettbewerbstauglich:
Es ist wieder etwas ruhiger im Blog und dies wird sich mitunter ein Weilchen fortsetzen, da mir die Stadt dieser Tage in weiter Ferne und leider gar nicht so liegt. Mein Verantwortungsgefühl gegenüber der getreuen Leserschaft zwingt mich allerdings dazu, im Schnelldurchlauf wenigstens die Hauptthemen der vergangenen Woche aufzulisten.
Einen tiefen Einschnitt stellt für viele sicher der Tod Heinz Bräuers dar. Nach der beinahe blamablen Notiz in der Märkischen Oderzeitung (online), gibt es heute eine Art Nachruf von Günter Fromm in der MOZ: Pfarrer auf Mission in der Planstadt. Ein anderer (und besserer) Artikel über das Leben Heinz Bräuers erschien letztes Jahr in der Berliner Morgenpost. Wir halten es aber lieber mit dem Sohn Günter Fromms und greifen als Erinnerung an Pfarrer Bräuer auf ein Fragebogen-Interview zurück, dass Alexander Fromm mit Heinz Bräuer 1997 führte und in der ZIELSCHEIBE veröffentlichte:
Fragebogen
- Name: Heinz Bräuer
- Geburtsdatum/-ort: 16. September 1916 in Guben
- Leibgericht: Ich bin ein Allesesser.
- Lieblingsbuch: Natürlich die Bibel!
- Lieblingsautor: Ich habe keinen.
- Laster: Ich rauche nicht, ich trinke nicht. Ich habe mal geraucht, aber das ist lange her. Ich rauche schon seit 20 Jahren nicht mehr.
- artiger Schüler: Ein braver Schüler, aber nicht so gut.
- Vorbilder: Ja, gibt es. Den Fürstenwalder
Superintendenten Walther Hillebrand, meinen Konfirmator. Ich gehörte zu seinem ersten Konfirmandenjahrgang. Er führte mich durchs Studium. Er hat mich ordiniert. Wir waren bis zu seinem Tod Freunde.
- schönster Tag im bisherigen Leben: Mein Hochzeitstag. Da habe ich meine Frau bekommen.
- In welcher Zeit würden Sie gerne leben? Jetzt. Es gab zu allen Zeiten Nöte und Schönes, was wir heute nur nicht mehr erfahren. Ich bin interessiert daran, wie es bis zum Jahr 2000 und darüber hinaus weitergeht.
- Was mögen Sie gar nicht? Unpünktlichkeit kann ich nicht leiden.
- Was lieben Sie am meisten? Dass ein Wort etwas gilt, ich mich darauf verlassen kann.
- Was halten Sie von der heutigen Jugend? Genau so viel wie von der Jugend meiner Zeit, auch wenn man den Eindruck gewinnt, dass die Jugendkriminalität höher ist. Aber ich gebe getrost die Zukunft in die Hände der Jugend. Was auffällt, sind ja eher die
Ausnahmen. Es gibt so viele nette junge Menschen, aber die fallen eben nicht so auf und kommen auch nicht in die Zeitung. Die Jugend von heute ist nur lauter.
- Welche drei Dinge würde Sie auf eine einsame Insel mitnehmen? Ein Kochbuch, Streichhölzer zum Feuer machen und ein Licht, um Schiffen Zeichen zu geben.
- Was ist für Sie der Sinn des Lebens? Es gibt keinen generellen Sinn des Lebens. Jeder ist einzigartig. Jeder muss seinen eigenen Sinn finden.
Eisenhüttenstadt, 11.3.1997 (aus: ZIELSCHEIBE, Nr. 22, April 1997, S. 10)
Lage und Zukunft der Kultur in Eisenhüttenstadt waren in vergangene Woche Thema im städtischen Kulturausschuss und die Märkischer Oderzeitung weist in ihren Lesern gleich in der Überschrift zu Janet Neisers Report die Richtung: "Kultur ist ein Zuschussgeschäft". Einen wenig kostenintensiven Anteil nimmt dabei die geplante Umbenennung der Stadtbibliothek ein, die sich - vielleicht von der Leuchtturm-Bücherei-Amöbe der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus orientiert - demnächst etwas dick auftragen mit dem Namen "Informations- und Kommunikationszentrum Stadtbibliothek Eisenhüttenstadt" präsentieren könnte.
Der Tourismusverein soll dahin ziehen, wo die Stadtbibliothek auch einmal war, nämlich neben das Friedrich-Wolf-Theater, was keine so verkehrte Variante ist, da sie den Kartenverkauf für das Friedrich-Wolf-Theater mitübernimmt:
Die Verlagerung des Kartenverkaufs aus dem Theater und zum Tourismuserein wird übrigens als "eine regelrechte Symbiose" verkauft. Das klingt immerhin besser als "Ausweichlösung". Im Museum rutscht man aufgrund der Personalsitation mitterweile in eine Qualitätsdiskussion, die beim Feuerwehrmuseum anscheinend schon recht akut ist:
"Und was wird dann aus der Kassiererin des Theaters?", wollte Ausschussmitglied Günter Fromm (CDU) wissen. "Die Kollegin ist bereits zu diesem Zeitpunkt in Altersteilzeit", versuchte Chvosta zu beruhigen. Der Posten wird nicht neu besetzt, genauso wenig wie der im Museum, wo seit einigen Monaten eine Fachkraft aufgrund der Altersteilzeitregelung fehlt. Obwohl selbst Wolfgang Perske anmerkte: "Selbstverständlich spüren wir das. Aber Fakt ist, dass wir seit Jahren Personal abbauen." So wie es die kommunale Aufsichtsbehörde verlange.
"Der finanziell nicht realisierbare Erhaltungs- und Pflegeaufwand für die Unikate der feuerwehrhistorischen Entwicklung führte zu einem Stillstand in Forschung und Präsentation", so Museumsleiter Hartmut Preuß.Mit Freilichtbühne ist obendrein ein neue Kostenfaktor in den Plan geraten, der allerdings, so die Pläne, über die "Erschließung weiterer Finanzpartner" etwas abgefedert werden soll. Abefedert wird übrigens auch gerade im Tiergehege, das seinen Tierbestand gerade zum Preis auf Verhandlungsbasis üppig zu reduzieren gezwungen ist. Dies hat aber hoffentlich in erster Line mit der Fruchtbarkeit der Tiere und weniger mit dem Tröpfeln der Einnahmen zu tun. Einige Pantengänse wurden übrigens, wie ich erfahren durfte, vom "Fuchs (o.ä.)"[sic!] gestohlen.
So spürt man kulturell etwas herbstliche Stimmung aufziehen, wobei Stadtmanager Wolfgang Perske die beruhigenden, allerdings auch wenig verbindlichen Worte einschiebt: "Wir haben nicht die Absicht, städtische Einrichtungen platt zu machen" beiträgt. Die stabilste Brücke baut er mit solcher Floskelei aber nicht gerade.
Für ihn und auch für den Bürgermeister sicher erfreulicher und dringlicher ist das Wirtschaftsinvestitionswunderland, als das sich Eisenhüttenstadt zu etablieren scheint, allerdings mit nach wie vor relativ hoher Arbeitslosigkeit:
"Die Arbeitslosenquote von 13,4 Prozent im Landkreis ist immer noch zu hoch", betonte auch Jörg Vogelsänger, der Vorsitzende der SPD Oder-Spree und Bundestagsabgeordnete. "Acht Prozent wären ein ordentlicher Durchschnitt, aber bis dahin haben wir noch viel zu tun", sagte Eisenhüttenstadts Bürgermeister Rainer Werner, der zuvor mit einem Vortrag über die neuen Unternehmensansiedlungen in seiner Stadt, die Laune der SPD-Mitglieder ankurbeln wollte. In den nächsten zwei Jahren werde es Gesamtinvestitionen von 1,4 Milliarden Euro geben. Eine Erfolgsstory, die ausstrahle. Erstmalig äußerte sich Werner auch öffentlich, dass der russische Energieriese Gazprom Interesse daran habe, sich in der Stadt anzusiedeln. Zudem gebe es weitere Gespräche mit Unternehmen aus der Solarindustrie. "Wir bleiben hier weiter am Ball. Bürgermeister Rainer Werner hat meine volle Unterstützung für eine verbesserte Anbindung der Stadt auf Straße, Schiene und Wasserstraße. Gleiches betrifft die notwendige Erschließungsstraße für das Industriegebiet", versprach Vogelsänger. Die Anbindung an die A 12 muss in den nächsten fünf Jahren kommen, forderte Fehse.Die "Erfolgsstory EHST" strahlt vielleicht aus, wird aber an der Zahl der Arbeitslosen nur in geringer Form etwas ändern, denn bekanntlich sind die Industrien, die wirtschaftlich in Deutschland zu betreiben sind, kaum arbeitsplatzintensiv. Post-industrielle Gesellschaft bedeutet nicht, dass es keine Industrieproduktion mehr gibt, sondern, dass die Zahl der in der Industrieproduktion Beschäftigten einen vergleichsweise geringeren Anteil an der Gesamtzahl der Beschäftigten einnimmt. So wird an den Schalthebeln der Taktstraße der Papierfabrik auch nur eine Handvoll Hochqualifizierter dafür sorgen, dass für Prowell der Laden brummt. Man braucht für durchstrukturierte Abläufe auch in dieser Größenordnung vermutlich kaum mehr personal, als für den Betrieb eines Einkaufzentrums. Die bombige Investitionssumme in die Wirtschaftslandschaft einer schon beinahe abgeschriebenen Region ist in Hinblick auf den Arbeitsmarkt eher von symbolischer Wirkung. Aber vielleicht investieren Prowell und Gazprom einen Teil ihrer hier auflaufenden Einnahmen in die städtische Kultur, so dass sich das Museum doch noch neue eine Fachkraft und das Theater eine eigene Kassiererin leisten kann. Der Tourismusverein kann ja trotzdem noch abseits der Abendkasse Eintrittskarten verkaufen.
Ach so: Das Amtsgericht wird vermutlich schließen, nachdem "Justizministerin Beate Blechinger (CDU) ihr Todesurteil gefällt hat." (MOZ).
Eine der interessantesten Sitzgelegenheiten Eisenhüttenstadts soll heute als Bild zum Beitrag dienen: Das "Paar auf der Bank" und mit der Bank steht vor dem Altenheim in der Poststraße und stammt von Sigrid Herdam, über die ich leider fast nichts weiß. Die Bank sitzt sich aber nach wie vor einzigartig.
So wenig geschieht in diesen letzten Tagen des Oktobers 2007 in Bezug auf Eisenhüttenstadt, dass uns nichts anderes bleibt, als eine Selbstreferenz.
Dieses Bild einer lokalen Textspur sei dem jungen Eisenhüttenstädter, der sich just in diesem Moment als Praktikant beim Office of Metropolitan Architecture (OMA) - von wegen, der Teufel baut Prada... - verdingt, als Gruß aus der Heimat übermittelt.
Und nun darf er, wie auch alle anderen Leser des Weblogs, raten, wo sich die Filzstiftaufschrift im Stadtraum befindet und seine Vermutungen als Kommentar posten...
Rote Fahne, rotes Buch: Das Mosaik zum neuen Leben.
"Bild aus hunderttausend Steinen", 1959 entstanden, verfolgt die Entstehung des Mosaiks "Unser neues Leben" im Haus der Organisationen von Eisenhüttenstadt (damals noch Stalinstadt) von den ersten Studien des Malers unter den Menschen der Stadt bis zur feierlichen Enthüllung des Wandbilds vor den Hüttenarbeitern, die prüfen, ob ihr Leben dort auch wirklich gütig dargestellt ist.
Christopher Tracy hat sich - im Gegensatz zu mir - die drei Filme zu Walther Womacka bereits angesehen und schildert seine Eindrücke in "Die Liebe und die Sowjetmacht". Alles was wir von dort, wo wir gerade sind, beisteuern können, ist ein Detail der Arbeit zu unserem alten "neuen Leben":
fragt Jochen Zenthöfer heute in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung in seiner Besprechung von Chrysostomos Mantzavinos politischer Ökonomie "Individuen, Institutionen und Märkte" (Tübingen: Mohr Siebeck, 2007). Angesichts des anstehenden Investitionswahnsinns kein leichter Vergleich. Und was die aktuellen Fußballergebnisse angeht, nehmen sich beide Städte sehr wenig, denn was vergangenen Samstag Stuttgart Hamburg war, war Hohenleipisch dem EFC. Und auch in Bezug auf die aktive Teilnahme an europäischen Wettbewerben sind nach dem gestrigen Spiel der Stuttgarter beide Mannschaften nun bald wieder auf Augenhöhe. Zum Glück gibt es ja die Zukunft und hier wie dort gibt es viel Potential dahingehend, dass sie besser wird. Allerdings möchte man auf die zweite Frage ZenthöfersStuttgart also hat Glück, Eisenhüttenstadt Pech? Zementiert in alle Zukunft?
Kommt der Aufschwung also dann, wenn Brandenburg auch eine Kehrwoche hat?prophylaktisch und vehement antworten: Bitte nicht um diesen Preis! Obwohl, wie man so schön sagt, jede Medaille ihre Kehrseite hat, was man auch in Ostbrandenburg zu akzeptieren bereit ist. Nur eben nicht so wörtlich.
Eine andere, neben dem Fußball weitere Herzensangelegenheit, wirbelt dagegen in der Märkischen Oderzeitung etwas Staub auf, aber sehr erfreulichen:
Was der Sprichwortsammler Karl Joseph Simrock in der Mitte des 19. Jahrhunderts für seine Sammlung notierte, trifft wenigstens auf die Mitarbeiter des Tiergeheges nicht zu. Denn trotz erschwerten Arbeitsbedingungen leisten sie in vorbildlicher Weise das, was sie vermögen und dies offensichtlich ohne Murren und Wehklagen. Ganz zu recht bekommen sie nun erstens von Mutter Natur ein Eselchen und zweitens von der Sparkasse Oder-Spree sechseinhalbtausend Euro für die Umgestaltung des Eingangsbereiches. Den Beitrag dazu beschert Andreas Wendt in der Märkischen Oderzeitung: Sparkasse hat ein Herz für Tiere
Nur am Rande soll bemerkt werden, dass der Mobilitätsservice der Deutschen Bahn auf der Bahnstrecke Frankfurt/Oder Cottbus augenscheinlich den Rollstullfahrern nicht mehr in die Züge hilft. Dies meldet die Lausitzer Rundschau. Stattdessen gibt es wohl die Möglichkeit eines Fahrdienstes. Dies nur als weiteres Symptom für die Peripherisierung der Region und die notwendige Umstrukturierung des öffentlichen Nahverkehrs, der - so eine schon gehörte Überlegung - für manche Regionen Ostdeutschlands neben dem Ersetzen der Großraumbusse durch Sammeltaxis sogar Beihilfen zur Anschaffung eines Privat-PKWs einschließen kann. Denn manches Eckchen Brandenburgs scheint derart entvölkert, dass es verkehrs- (und sogar klima-)politisch sowie wirtschaftlich vertretbarer scheint, den verbliebenen Bewohnern ein Auto zu finanzieren, als eine ganze Buslinie zu unterhalten.
Eisenhüttenstadt ist glücklicherweise nicht ganz so hart getroffen und die Bahn wird auf der Bahnlinie nach Cottbus sogar - wie ebenfalls aus der LR zu erfahren ist - zum Fahrplanwechsel Anfang Dezember Doppelstockwagen einsetzen, die Rollstullfahrer, sofern die Bahnsteige mitspielen, selbstständig nutzen können.
Kommentare