"Tage gibt es...Tage, die wie neue Städte rasch bevölkert werden.."
Planstadtfreuden aller Orten. Selbst im Titelsong des der aktuellen Super Illu auf DVD beiliegenden Films "Hostess - Und prüfe, wer sich ewig bildet" aus dem schönen Jahr 1976 schmettert Vroni Fischer eine Anspielung auf die neue Zeit, während Annekathrin Bürger als nach sich selbst suchende Jette durch die herbstliche Ostberliner Parklandschaft spaziert. Heute läuft wenigstens in Hinblick auf die demografische Entwicklung der neuen Stadt "Eisenhüttenstadt" die Zeile natürlich buchstäblich ins Leere. In der aktuellen Variante müsste man dann das "be-" durch ein "ent-" ersetzt singen. Richtig bliebe, dass es auch solche Tage gibt - und die nicht zu knapp.
Dass es in der Eisenhüttenstädter Partnerplanstadt Dimitrowgrad (Димитровград, auch bekannt als die erste sozialistische Stadt Bulgariens) hinsichtlich Abwanderung, z.B. in die alte Bundesrepublik nur graduell besser aussieht, ist kein Geheimnis. Ob dies und vielleicht auch die Tatsache, dass die Stadt an einem Fluß liegt, der sich den Namen mit einer Fado-Größe teilt, auch zu einer allgemeinen Niedergeschlagenheit im Stadtbild führt, die in Eisenhüttenstadt nicht ganz unbekannt ist, kann vielleicht die Stadtdelegation, die jüngst samt Bürgermeister Rainer Werner zum dortigen 60jährigen Stadtjubiläum mit Magnolienbaum im Gepäck ihre Aufwartung machte, abschätzen (vgl. Märkische Oderzeitung). Wir mangels Reiseerfahrung leider nicht.
Ebenso entzieht sich unserem Wissen, ob die Gastgeber nachfragten, wie es um die Georgi-Dimitroff-Straße (früher C-Straße) in der Stahlstadt steht. Dasselbe gilt für den Vorschlag, analog zur Straßenumbennung aus der bulgarischen Industriemetropole an der A1, die mit Penio Penev (Пеньо Пенев) immerhin sogar einem Lyriker von nationaler Bedeutung Entfaltungsort war, nach dem dann auch die lokale Stadtbücherei benannt ist und der sich 28jährig das Leben nahm, ein Eichendorffgrad zu machen.
Das von der Märkischen Oderzeitung mitgelieferte Gruppenbild zur Visite löst bei mir - neben der Frage, ob man möglicherweise für mehr oder weniger offizielle Vertreter der Stadt bei solchen Ereignissen/Presseterminen einen minimalen Kleiderstandard festschreiben sollte - so gleich eine Assoziation mit einem alten Bild aus dem privaten Fotoschatzkästlein aus. Und dieses zu präsentieren ist beinahe verpflichtend, auch wenn es sich bei dem konspirativen Treffen von internationalen Stadterkundern um ein ganz inoffizielles Ereignis handelte. Diesen Sommer galt es immerhin den neunten Jahrestag des Zusammentreffens (damals) junger Menschen aus der nordirischen Retortensiedlung Strathfoyle bei Derry und der Retortenstadt Eisenhüttenstadt in Eisenhüttenstadt.
Die vorliegende Aufnahme zeigt zwei Stras und zwei Eisenhüttenstädter Burschen in zeitgenössischer Jugendmode vor zeitgenössischer Skyline, wobei der Kerl mit der Mütze ein Paar der bequemsten und schönsten Skateboardschuhe trägt, die damals und jemals erhältlich waren: Kastel Ronnie Bertino. Sowohl was den Schuh, die Marke wie auch den Fahrer Ronnie Bertino angeht, ist mir nichts zum Verbleib bekannt.
Die gezeigte Perspektive auf die Stadt hat sich dagegen wenig verändert, auch wenn das Buschwerk oben auf dem Skihang vielleicht mittlerweile üppiger in die Perspektive langt. Unsere irischen Freunde waren übrigens, so erinnere ich mich, von den aus dieser Hanglage ebenfalls sichtbaren Schornsteinen des Kraftwerks Vogelsang (nicht im Bild) angetan, dass sie diese sofort erklimmen wollten. Die Kraftwerksruine kennend fuhren wir sie im alten VW-Bus eines jungen Mannes namens Bäsi schmunzelnd dorthin und wussten selbstverständlich, dass aus der Sache nichts wird. Aber immerhin wurden der Sperrzaun überwunden und, da es das Treppenhaus bereits nicht mehr gab, eine Freikletterpartie auf das Dach unternommen. Da war dann wie erwartet Schluß mit Höhenrausch und nach einigen Erinnerungsfotos ging es wieder hinab, z.B. zum Herumlungern in die Lindenallee. Jawohl, so lebte man in den 1990ern.
Deutsch-Irische Freundschaft anno 1998:
Adrian, Ben, Steven und Denis. Im Hintergrund (v.l.n.r.)
Foto: Bäsi
Adrian, Ben, Steven und Denis. Im Hintergrund (v.l.n.r.)
Foto: Bäsi