Eisenhüttenstadt ist eine der wenigen Städte in Deutschland, die noch nie kriegerische Handlungen vergegenwärtigen mussten. Da sie dank Johannes Hanskys wunderschönem Stadtwappen obendrein noch unter den Flügeln der Friedenstaube wächst, gedeiht und an mancher Stelle auch - nicht unbedingt in die Geschichte - eingeht, lebt man hier potentiell in einem sehr friedfertigen Ort und manchmal beim Sonntagnachmittagsspaziergang erscheint es einem auf der Magistrale wirklich so still und ausgeglichen zu sein, wie im Kräutergarten eines Klosterhofs.
Man scheint hier derart fernab von jeder Aggression und Irritation zu sein, dass man sich gezwungen sieht, die "Monster Trucks" als Entladungsinstanz für Zerstörungsfantasien vor ein Einkaufsparadies zu bestellen. Die Bad Boysche Automobilmassenvernichtung auf dem Fernsehenschirm ist zu weit weg und wurde zu oft wiederholt und selbst besitzt man häufig gar kein eigenes Fahrzeug zum Nachstellen des Gesehen, also schaut man gern zu, wenn es die cascadeuren Gäste rumpeln, ächzen und krachen lassen, bis alle Bleche bersten. Darüber herrscht eitel Sonnenschein. Jedenfalls scheint es so.
Doch wehe, wenn man vom rechten Pfad abkommt und hinter die Fassaden blickt, wie wir es gestern taten. Dann wird schnell klar, dass diese Litfasssäulenbeklebung in dieser Stadt der Männlichkeit ganz sicher fehl am Platze ist:
Hier beherrschen, wie man hört, sieht und manchmal riecht, echte Kerlchen die Szenerie, die statt mit Schirm, Charme und Melone zu flanieren mit Pistole (selten) oder Systole oder Zündschlüssel und Nadrolonstößen durch die Spielstraßen und Grünstreifen streifen und auf alles schießen, fahren oder pfeifen, was sich in den Weg stellt. Das glaubt man nicht? Hier ist der Beweis:
Die Stadt ist unter der friedfertigen Oberfläche - sozusagen in der Unterschicht, die Kurt Beck aktuell (gestern und heute) als ein zentrales Problem sieht - hochmilitarisiert und ziemlich männlich und wie man sieht, tragen nicht nur die Bäume Tarnfarben. Und das ist nur die Spitze des Eisb(r)echers. Die Gesellschaft mag nicht mehr durchlässig sein, die kugelunsicheren Westen sind es wohl. So verwundert es kaum, wenn sich die wenigen Menschen mit Herz und Verstand am rechten Fleck den Burgerkrieg satt sind und sich nach pazifistischer Vollwertkost sehnen. Doch fromme Wünsche werden in diesen Zeiten ganz schnell am nächsten Baum aufgeknüpft:
Richtig so. Dort sind sie immerhin sicht- und lesbar. Exemplarisch zeigen wir einen Wunsch, dem wir uns in gewisser Form anschließen. Und warum vom postheroischen deutschen Boden kein Krieg mehr ausgehen wird, deutsche Soldaten aber dennoch gut begründet in manchen Krieg hinausgehen sollen, erläutert heute, am Tag der Verkündung des nordkoreanischen Nukleartests, in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung nicht nur für Nicole der Politikwissenschaftler Herfried Münkler in einem sehr lesenswerten Text zur Gegenwart (leider nicht online, S. 8):
Humanitäre Militärinterventionen sind politische und finanzielle Investitionen ins Gemeinwohl. Wenn Frieden und internationale Stabilität Güter sind, von denen alle profitieren, dann handelt es sich bei Auslandseinsätzen der Streitkräfte, die diesem Ziel dienen, um gemeinnützige Investitionen in die Zukunft, von denen nicht mir der Investierende sondern tendeziell alle profitieren. Diese auf lange Sicht wohl zutreffende Beschreibung darf jedoch nicht dafür blind machen, daß es kurz- und mittelfristig eine Reihe von Akteuren gibt, die von Frieden und Stabilität nicht profitieren, sondern die dadurch um ihre Gewinn- und Erwerbsmöglichkeiten gebracht werden. Das sind diejenigen, die von Krieg und Gewalt im Einsatzgebiet leben und häufig sind das nicht wenige. Diese werden gegen die Absichten der Intervenierenden also verdeckten oder offenen Widerstand leisten. Sie müssen darum eingebunden oder niedergerungen werden.
So ganz direkt spürt man es noch nicht, aber wenn wir des Wochenends als Interventionswahrnehmer mit Kamera und offenen Sinnen auf unseren Stadtrundgang gehen, stoßen wir auch nicht immer auf Gegenliebe (aber immer häufiger). Vielleicht wäre es schlimmer, wenn man tatsächlich versuchte, sich einzumischen. Wir sind - von vielen Erfahrungsberichten aus aller Welt - vorgewarnt und bleiben beim minimalinvasiven Vorgehen.
Und wie immer am Ende jedes programmtischen Textes unser subversiver Aufruf: Jeder kann beim Stadtumbau in den Köpfen mitmachen: "Mach's mit, mach's nach, mach's besser", hieß es in der Kindertagen. Bislang sind wir zu oft noch beim "mach's nach" - leider auch beim Denken. Aber langsam, ganz vorsichtig, scheint sich's an manchen Stellen auch besser zu machen, das schöne Leben in der friedfertigen Idylle Ostbrandenburgs. Und wir geloben, dass dieses in unserem Blog seinen Niederschlag (und nicht etwa seine Niederschlagung) finden wird.