Für uns, die wir in der Eisenhüttenstadt aufwuchsen, ist Heimat auch immer Heimattiergarten. Es begann vielleicht mit der Sammlung von Kastanien für die winterliche Wildschweinfütterung, wobei mich die Suche nach den nabelfleckigen Früchten erstmals im Kindergartenalter auf den Hügel zum Club Marchwitza führte. Zuvor und danach lief man mit den Eltern und später mit dem Heimatkunde- und/oder Biologieunterricht so manches Mal die Gehege ab und erwarb sich, wenn auch nicht tiefschürfende, so doch grundlegende Kenntnisse zur heimischen Tierwelt. Rohirsch und Damhirsch, Wildschwein, später auch Mufflon und die Vielfalt der lokalen Nutz- und Parkvogelwelt geballt an einem Ort - die Faszination "Tier" hat für uns Kinder der Stadt auch hier ihren Ursprung und so führt noch heute bei manchem Besuch so mancher Besuch dahin, wo Esel und Schaf in trauter Eintracht beieinander stehen und ihren hiesigen Daseinszweck, nämlich Kinderaugen zum Leuchten zu bringen, so gut erfüllen, wie es ihnen naturgegeben möglich ist.
Entsprechend voreingenommen traf die Debatte zur möglichen Schließung des Geheges aus Spargründen bei uns auf völliges Unverständnis (vg. auch hier). Einerseits würde damit ein wichtiges Sozialisationselement für die kindliche Entwicklung aus der Stadt genommen und andererseits stände als Resultat die Ausweitung des toten Raumes, welcher sich seit 1990 an vielen Stellen im Erholungspark auf der Kanalinsel ausbreitet (z.B. an der ehemaligen Freizeitsportanlage mit Kegelbahn und Zielwurfwand) und damit verbunden eine weitere Abwertung der Aufenthaltsqualität der Parkanlage insgesamt. Es ist sicher richtig, dass man aus dem Tiergehege keine profitable Geldquelle machen kann. Die Anlage wird - wie Stadtbibliothek und Stadttheater - immer mehr kosten als einbringen, sofern sie ihren oben angedeuteten gesellschaftlichen Auftrag erfüllt, der nicht in erster Linie "Unterhaltung" sein kann, sondern die Vermittlung und der Aufbau einer adäquaten Mensch-Tier-Beziehung sowie das Wecken des Interesses für die heimische Fauna, die wenigstens nach meiner Vorstellung für einen Kulturmenschen auch ein Stück der Identität sein sollte.
Nun melden erfreulicherweise einige regionale Medien, dass die Schließung des Tiergeheges zum 30. Juni 2007 durch die Übertragung der Trägerschaft auf einen Förderverein abgewendet werden soll. Eine Garantie ist dies noch nicht, aber vielleicht ein sinnvoller Ansatz. Ob und wie erfolgreich dieser sein wird, hängt selbstverständlich davon ab, wer sich wie beteiligt. Zur Motivation entsprechend beteiligungswilliger Bürger der Stadt ist es sicher nützlich, möglichst bald mehr Informationen zum Unterfangen bereitzustellen (Vereinssatzung etc.) und so intensiv wie möglich an die Öffentlichkeit zu gehen. Dieser Aufruf:
Interessenten, die Mitglied im Förderverein für das Tiergehege werden möchten, melden sich bis dahin bei der Eisenhüttenstädter Freizeit- und Erholungs GmbH (Tel. 03364/ 771634).
ist auf die Schnelle sicherlich wichtig, aber auf Dauer keine erfolgversprechende Form von Vereinsmarketing.
Wir verfolgen die Entwicklung in jedem Fall weiter und spielen natürlich auch intensiv mit dem Gedanken einer Förderung der Förderung.
Zudem hat Juliane Fechner für den Stadtspiegel August/September 2006 einen schönen Text zum Tiergehege beigesteuert: Das Tiergehege kennt keine Sommerpause