Einträge für Dezember 2007
Am 30. April 1993 wurde das World Wide Web (WWW) - für den Durchschnittsnutzer im Regelfall synonym mit "Internet" - eröffnet und seitdem selbst Sonn- und Feiertags nicht mehr geschlossen. Wir, damals noch blutjung und voller Sturm und Drang, flogen unseren sportlichen Talenten noch im Realraum entsprechend hoch und versuchten dies gar per Sucherkamera und Kleinbildfilm zu dokumentieren. Während die meisten dieser Fotos im Lauf der Jahre zerissen, verbrannt, recycelt oder schlicht verschollen sein dürften, stößt man doch ab und an und meist dann, wenn man es nicht erwartet auf solch klassisches Bild. Gerade war es wieder so weit. Und ich könnte jetzt auch sofort verraten, in welchem hochklassigen mehr oder weniger öffentlichen Innenraum, der eine Saison lang die beste Wintervariante zum Skateboardfahren in Eisenhüttenstadt darstellte, das Foto entstand, andererseits drängt es mich geradezu, hier eine - wirklich leichte - Rätselei in den virtuellen Raum der Erinnerung zu stellen. Die Frage lautet also: Wo schnipsten diese klobigen Basketballstiefel das so schmale wie wohlgeformte Skateboardbrettl in die Höh'? Bitte als Kommentar posten und dabei die neuen Freischaltungsregeln beachten.
Die Zunge raus und eine kesse Sohle auf das Brett legend - so flogen wir im Januar 1993 über den glatten Boden heute generalüberholter Tatsachen. Aber wo? ist hier die schlichte Frage. Und wer es schwieriger möchte, kann ja einmal raten, welche Sorte PU-Rollen die Achsen schmücken und hier Kurzzeitschonung erfahren.
Der für die Bahn lukrative Paketverkauf stößt in Brandenburg auf Unverständnis. Infrastrukturminister Reinhold Dellmann (SPD) ist verärgert: „Ich sehe die aktuelle Lösungsstrategie der DBAG kritisch, mit Investorenpaketen die Immobilienlast rasch abwickeln zu können.“ Die Bahn müsse ihre Gemeinwohlverpflichtung wahrnehmen und dürfe nicht nur reine Kapitalverwertungsinteressen vertreten, fordert Dellmann. Dahinter dürfte nicht zuletzt die Befürchtung stehen, dass kleine, wirtschaftlich ohnehin gebeutelte Städte ohne repräsentative Bahnhofsgebäude weiter an Anziehungskraft verlieren.In Eisenhüttenstadt hat man glücklicherweise schon längere Zeit tüchtig daran gearbeitet, dem Bahnhofsgebäude samt Umfeld jede Repräsentanz in der Ausstrahlung zu nehmen und wenn man die lokalen Durchschnittsfahrgäste im Wartebereich beobachtet, scheint es mitunter, dass sich hier die Stadtbevölkerung - zugegeben nicht im repräsentativen, aber doch im größeren Umfang - redlich müht, der ganze Kiste noch ein paar Dellen mehr zuzufügen. Manch einem ahnungslosen Anreisenden drängt sich dann auch gleich der kurze Schluss in Folgerung auf, dass es bei diesen Verhaltensweisen wohl kein Wunder ist, wenn für diese Stadt der Zug abgefahren ist. Aber das ist er gar nicht, auch wenn die meisten Eisenhüttenstädter z.B. von der kommenenden Großproduktionsanlage für Wellpappe unmittelbar nicht viel haben werden, ausgenommen vielleicht - hoffentlich nicht (vgl. hier) - die spezifischen Schadstoffemissionen. Nur die schwere Hypothek in Gestalt des nicht veräußerlichen Bahnhofsgebäudes ist nun wohl ziemlich sicher abgekoppelt. Geschenkt wäre hier vermutlich - oder gerade - selbst der Stadt viel zu teuer und Bäckermeister Peter Dreißig wird mit der Rettung des Stadtzentrums schon genug zu tun haben, als dass man ihm auch noch dieses versemmelte Ding mit Gleisanschluss wird schmackhaft machen können:
Da freuen sich Fahrgäste ungemein, dass ihnen von der Bahn AG eine wegezollfreie Nutzung des Zugverkehrs ermöglicht wird... Von dem französischen Philosophen Jean-Claude Michéa ist der schöne Ausdruck "Metaphysik der Sachzwänge" überliefert, der im Zusammenhang mit dem entfesselten Liberalismus das Dogma der Alternativlosigkeit beschreibt und leider bei der Betrachtung der geläufigen zweckökonomischen Brachialdiskurse, unter anderem auch in der öffentlichen Verwaltung, viel zu wenig berücksichtigt wird. Auch die Bahn AG, die sich in der Geschäftsausübung - wenigstens in Ostbrandenburg - den Wortbestandteil Service aus der Selbstbeschreibung Serviceunternehmen erfahrungsgemäß weitgehend entfernt hat, pocht auf das bedingungslose Einstimmen in das Mantra dieser so dominanten wie eigentlich öffentlichkeits- und damit demokratiefeindlichen Heilslehre des frühen 21. Jahrhunderts.
"Der Zugang zu den Gleisen bleibt für unsere Fahrgäste ohne Einschränkungen gesichert“, so die Bahn-Sprecherin. Zu dem Verkauf der Bahnhöfe habe es keine Alternative gegeben. „Wir können keine Gebäude bewirtschaften, die für den Bahnbetrieb nicht mehr benötigt werden“, sagt die Unternehmenssprecherin. Allen betroffenen Kommunen sei ein Vorkaufsrecht eingeräumt worden, das jedoch von keiner wahrgenommen worden sei. Daher nun der Paketverkauf an das private Bieterkonsortium.
Die Wirtschaftsfreiheit des Einzelnen bedeutet allerdings immer auch die Einschränkung der Freiheit einer Mehrheit. Wer beobachtet, wie der öffentliche und damit frei nutzbare Raum beispielsweise im Filetstück Berlin-Mitte auf ein Minimum zusammenschrumpft und die Betonung statt auf Begegnungs- und Sammlungseindrücke beinahe ausschließlich auf Konsum- und Zerstreuungserlebnisse umgeschichtet wird und sogar ein Palastabriss als Entertainment vermarktbar wird, kann nur hoffen, dass langfristig die eigene Konsumpotenz auf einem Niveau gehalten werden kann, dass wenigstens die Aufenthaltsduldung in diesen Stadträumen gewährt wird.
Oder man zieht sich an die wenig attraktiven und daher schwer vermarktbaren Ränder zurück, um hier eine Lücke im Modell zu finden. Das könnte man übrigens fast Gentrifizierung nennen, auch wenn der exakte soziologische Definitionsrahmen etwas enger fasst, was immer weiter geht. Der Weihnachtsmarktspaß in Berlin-Mitte ist ein prima Anschauungsunterricht, der Weihnachtsmachtspaß in Eisenhüttenstadt mangels der lokal vergleichsweise eingeschränkten Leistungsfähigkeit in punto Konsumwahrnehmung wahrscheinlich bislang nur bedingt.
Wie es auch immer sei, die kommunalen Verwaltungen können es sich leicht machen:
„Die Übernahme oder der Betrieb nicht mehr benötigter Bahnhofsgebäude ist keine kommunale Aufgabe.“und die Bahnvertreter ebenfalls. Den Schwarzen Peter für einen eventuellen Abriss der historischen Bahnhofsbausubstanz übernimmt mit Kußhand ein für die Betroffenen - im Gegensatz zur Bahn AG - weitgehend gesichtsloses Unternehmen, das im Gegenzug ein paar schmucke und verwertbare Objekte zum Glück versuchen bekommt. Mehr zum Thema steht in der WELT: Bahn will 156 Bahnhöfe loswerden
Ob man droben im Bahntower am Potsdamer Platz in Bezug auf die leider weitgehend alternativlos bahnabhängigen Bevölkerungsgruppen in der Weite des Landes Brandenburg solche Formulierungen schwingt?
Wir wissen es nicht und so wie es aussieht, bleibt auch der schrumpfenden Stadt Eisenhüttenstadt noch etwas längerfristig ein Gleisanschluss erhalten, zumal bei den potentiellen Güterverkehrskunden. Gleisanschluss bedeutet aber nicht gleich Bahnhof. So spart sich die Bahn einerseits ihre Tradition und wird andererseits kulturlos, dies allerdings für einen - hoffentlich zeigt das nicht immer die beste Figur machende Management hier, was es zeigen sollte - guten Schnitt am Jahresende.
Der Landesjugendring Brandenburg sucht für ein Schreibprojekt Jugendliche an der ostdeutschen Grenze. Unter dem Motto «Stadt, Land, Fluss» sollen junge Leute ab Januar 2008 ihren Lebensalltag und ihr Umfeld über ein Jahr hinweg aufschreiben, teilte der Landesjugendring mit. Angesprochen sind Jugendliche im Alter von 16 bis 26 Jahren aus Eisenhüttenstadt, Frankfurt (Oder), Seelow, Küstrin-Kietz und Schwedt.So läuft es heute über den Nachrichten-Ticker und leider fallen wir aus der Altersspanne der Zielgruppe des brandenburgischen Landesjugendrings, sonst würden wir den Inhalt im nächsten Jahr noch stärker auf "Stadt,Land, Fluss"-Lebensalltags- und Umfelderfahrung ausrichten. So aber behalten wir unseren bisherigen "Untertitel" bei und nehmen einfach das, was uns so vor die Sinne stolpert unter das Seziermesser der schriftlichen Auseinandersetzung.
Silvio (mit Madleen) konnte sich bekanntlich jüngst über des Sinns des "Außer Haus"-Angebotes in Moretti's Diner wundern, wobei man hoffen kann, ja sogar muss, dass sich die dortigen Betreiber nicht langfristig in vollem Umfang an Moretti's Ristorante and Pizzaria im windigen Chicago orientieren. Über dieses heißt es nämlich in einer kurzen Kundenkritik:
Moretti's has the poorest service of any resteraunt[sic!] I can remember. The food is mediocre at best, but people go for the beer garden (biggest in the city) and the cute girls.Attraktive Backfische polieren selbstverständlich auch im reste-raunt den allgemeinen Eindruck ein bisschen auf, aber sie bieten keine nachhaltige Erfolgsgarantie: erstens sind sie nicht nachhaltig Backfisch und zweitens mit ihrem Anblick nicht nachhaltig Ersatz für guten Dienst am hungrigen Kunden. Von Geduldsfadennudeln ist jedenfalls noch niemand satt geworden.
Eine andere Neueröffnung aus dem mehr oder weniger gastronomischen Angeboten in Eisenhüttenstadts Magistrale stellt die nicht ganz umstrittene Backwarenverkaufsstelle mit Café-Anschluss des regionalen Bäckerei-Platzhirsches "Dreißig" dar.
Das Marketing hat sich für das Haus ein besonders hohe Ansprüche weckendes Motto herausgesucht: Nicht nur "unser träglich Brot", sondern "das täglich kleine Glück" wollen uns die Dreißiger geben. Das fordert natürlich heraus und so strebt man hinein durch die Glastür direkt auf den Verkaufstresen, an diesem vorbei in den Café-Raum, hängt den Wintermantel über den Gaderobenständer, setzt sich an einen kleinen Glastisch, zupft an der Kunstblume und blättert ein wenig durch die Speisekarte, etwas grober beschallt mit Rummelplatzweihnachtshymnen: "..mir wird so angst und bang/jeder Tag ist mir so lang..." und merkt nach gewisser Wartezeit, dass man sich in einem Selbstbedienungslokal befindet, da die Angestellten zwar emsig rotieren, sich dabei jedoch dem Tisch nicht nennenswert nähern.
Man muss also am Tresen bestellen, sonst passiert hier gar nichts und eigentlich auch gleich bezahlen. Andererseits kann man sich schnell nach der Bestellung zurück zum Platz begeben und dann wird dem Gast das Bestellte auch zum Tisch gebracht, wobei das Verkaufspersonal durch und über die Bank weg sehr freundlich und geduldig ist. Sofortige Zahlung ist trotzdem zu leisten. Die Heißgetränke sind solide, man bekommt sogar grundsätzlich und ohne Nachfragen ein Gläschen Wasser dazu, was in Ostbrandenburg nicht unbedingt zum Standard gehört. Der Kuchen ist einen Tick zu süß und an Originalität sicher noch optimierbar. Andererseits bewegt sich das Preisniveau auch deutlich unter dem des (Staats)Operncafés, so dass es hier einen gewissen Ausgleich gibt. Dennoch fehlt bedauerlicherweise nach wie vor ein Punkt in Eisenhüttenstadt, den man für wirklich exzellenten Kuchen direkt ansteuern würde...
Die Einrichtung ist bis auf eine Sofaecke eher für den Kurzaufenthalt gedacht und eventuell etwas eng gestellt. Andererseits muss sich ja auch keine Bedienung hindurchzwängen. Dafür kommt allerdings eine etwas übereifrige Angestellte mit Wischlappen und poliert gnadenlos Unruhe stiftend die Nachbartische, bevor sie glücklicherweise von einem Bekannten aufgehalten wird, mit dem sie mitten im Raum stehend allerlei Persönliches bespricht. Atmosphäre oder gar Heimeligkeit in der Weinachtszeit entsteht dadurch natürlich nicht so recht. Dafür eignet sich viel besser eine fast wandfüllend vergrößerte Fotografie mit nächtlichem Hochofenmotiv. Mit dieser wird tatsächlich ein Bezug zum Ort sehr schön dargestellt, während die anderen Wandgestaltungen der Dreißig-Corporate Identity entsprechen und die Filiale verwechselbar machen würden, wären da nicht die breiten Schaufenster mit Durchblick in die Lindenallee.
Wer Sonntags Lust auf Eierschecke oder Apfelkuchen mit Decke bekommt, findet nun nicht nur in der Saarlouiser Straße das, was er begehrt. Ein konsequent gemütliches Café-Erlebnis allerdings bisher noch nicht.
Am Fenster sitzen, die (wenigen) Flaneure beobachten können - darin liegt die eigentliche Stärke des neuen Lokals und deswegen lohnt sich auch der Besuch. Sitzt man eine Weile, sieht man deutlich, dass ein am Sonntagnachmittag geöffneter Anlaufpunkt ausreicht, um diesen Teil der Magistrale halbwegs zu beleben. Insofern erweist sich die Filiale durchaus als eine Bereicherung und wenn man konzeptionell mehr Konditorei und Café gewagt hätte, dann wären vielleicht sogar die umliegenden Backboxen und -shops nicht ganz so irritiert. "Das täglich kleine Glück" wird sich durch die Filiale nicht ganz und nicht für jeden einstellen, aber vielleicht ist dies ein erster Schritt, um im - immerhin - Stadtzentrum Eisenhüttenstadts langfristig die allgemeine Aufenthaltsqualität zu erhöhen - besser als eine Bankfiliale ist das neue Angebot in dieser Hinsicht allemal. Inwieweit die (Wieder)Belebung des Stadtzentrums dauerhaft gelingt, hängt sicher auch an dem, was im und mit dem Lunik geschehen wird und daran, ob und welche Temporärnutzungen für den Zentralen Platz gefunden werden und inwieweit sich in der Lindenallee Angebote etablieren, die sich nennenswert von dem, was die Einkaufszentren bieten, unterscheiden lassen. Die direkte Eingebundenheit in den Stadtraum erweist sich gegenüber den künstlichen und eingegrenzten Konsumillusionen, vor allem des City Centers, dabei in jedem Fall als grundsätzlicher Vorteil - vermutlich auch für die neue Dreißig-Filiale.
Update 19.12.2007
Doch dann kam Peter Dreißig. Mehr als 80 Filialen, in Guben zuhause, in Eisenhüttenstadt und Umgebung nicht unbekannt. Mitte 2007 wurde eine Zusammenarbeit vereinbart. Selbst Probleme mit dem Denkmalschutz konnten nach Aussage der GeWi-Chefin konstruktiv gelöst werden - eine Automatiktür wie in der Bäckerei Dreißig ist ein Novum im größten Flächendenkmal Deutschlands.
Passend zum Beitrag hat die Märkische Oderzeitung heute noch ein paar Hintergründe zur Entwicklung in der Magistrale im Blatt: Imagewandel in der Lindenallee. Auf die Automatiktür hätte man allerdings im "größten Flächendenkmal Deutschlands" eigentlich auch verzichten können...
Geduld ist eine Tugend
Das Diner öffnete seine Pforten in der Lindenallee erst vor wenigen Tagen, doch es war an diesem Sonntag schon gut besucht und in der Küche ging es offenbar heiß her. Einen Tag zuvor wurden einige Haushalte mit Flyern beliefert und die Betreiber haben anscheinend nicht mit so einer hohen Zahl an Bestellungen gerechnet. Das war dann auch der Grund dafür, dass Madleen und ich eine geschlagene Stunde auf unsere Bestellung warten mussten. Da wir unsere Bestellung mitnehmen wollten, war das ärgerlich. Aber in Anbetracht der Tatsache, dass das Küchenteam vermutlich noch nicht perfekt eingespielt ist und das Essen lecker war, werden wir dem Diner eine neue Chance geben und bei Gelegenheit mal wieder vorbeischauen - allerdings nur, wenn wir nicht unter Zeitdruck stehen.
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