Einträge für September 2007
Mein lieber Herr Futurologenverein! Da schimpfe ich Rohrspatz der Eisenhüttenstädter Blogosphäre jüngst in einer Form darüber, dass die Vorträge beim Kongress der Futurologen und mehr oder weniger Meidung durch die lokale Stadtöffentlichkeit stattfinden und dies aufgreifend macht die Readers Edition gar einen Wochenendtipp daraus und nun werde ich eventuell die Ausführungen von Franciska Zólyom höchstpersönlich verpassen. Der Grund ist ein verkehrslogistischer: ich habe den Anschlusszug verpasst und antstatt in Regionalexpress-Geschwindigkeit gen Osten zu rauschen, bin ich verdammt mit aufziehender Schamesröte auf den Wange in einer Online-Nische diese Zeilen zu schreiben. Alles was mir bleibt, ist zum Vortrag ein Bild beizusteuern, dass so verwaschen ist, wie meine aktuelle Stimmung und als Würdigung des Nachdenkens über die Städte ohne Zentrum gedacht sein soll:
Eine Funktion, die dieses Weblog erfüllen soll, ist die Dokumentation all dessen, was den Autoren zu und in Eisenhüttenstadt aufhebenswert erscheint. Das ergibt selbstverständlich eine gehörige Menge Material, dessen systematische Verarbeitung jeden unserer Rahmen sprengen würde. Daher ist das Vorgehen in erster Linie ein Auswählendes. Ein Element des Stadtraums, welches sich immer wieder in die Aufmerksamkeit des Stadtwanderers drängt, jedoch hier völlig zu unrecht bislang kaum thematisiert wurde, ist die Gestaltungsvielfalt der Eingangsbereiche, die sich besonders an den Wohnbauten des WK II antreffen lässt. Keine Tür und Einfassung gleicht der anderen und da es in einem solchen großen Quartier der Türen etliche gibt, kann man schon allein mit einer darauf bezogenen Bestandsaufnahme ein kräftiges Stück Lebenszeit verbringen. Weil jedoch die Beschränkung auf nur ein Objekt in einer an Entdeckungswürdigem überreichen Welt unsere Sache nicht ist, werden auch die Portalgestaltungen Eisenhüttenstadts nur punktuell erfasst. Dafür aber begeistert.
Als nicht ganz unerheblichen Nebeneffekt soll dadurch auch das vom Eisenhüttenstädter Überdenker Andi Leser initiierte E.i.h.%C3%BC. in bisschen mehr Dampfdruck auf den Kessel bekommen, um den Urgedanken des Projekts am Rotieren zu halten:
Ziel des Projekts E.i.h.ü. ist es, durch eine gezielte Montage/Collage von Film- und Fotoaufnahmen, eine virtuelle Stadt zu erschaffen. Beim Betrachter soll sowohl das vetraute Gefühl des Schon-mal-gesehen (deja vu) als auch eine Irritation über den als bisher vertraut betrachteten Stadtraum entstehen. Bekanntes und Unbekanntes werden zu einem einheitlichen Werk komponiert.
Ob das, was hier unter dem E.i.h.ü.-Label geschieht, gezielt von statten geht, bleibt fraglich. Aber von einem munteren Montieren und Collagieren diverser Eindrücke und Bilddokumente lässt sich durchaus sprechen. Hier nun der nächste Schnipsel:
Weitere Hinweise auf tolle Türen folgen hier bei Gelegenheit.
Vor reichlich einem Jahr streute der grandiose Andi Leser die Mär von dem verlorenen Wohnkomplex in die lokale Blogosphäre. Und auch heute geistert die begabte Fantasie durch zahllose fantasiebegabte Köpfe, die sich zwar mit freundlicher Shangri-Shalalala-La-Utopie, aber nicht mit der Hyperkollektivierung in minimalen Wohnzellen nach dem Modell Nikolai Miljutins anfreunden konnten, können und können werden. Einige mehr oder minder geheime Spuren zu dieser Insel Felsenburg der Lebensfreude nannte der vielleicht talentierteste Eisenhüttenstädter Schriftschaffende dereinst in seinem kleinen Text. Jetzt ist eine bislang unbekannte Fotografie aufgetaucht, die einige Facetten aus diesem Komplex, in dem anscheinend nichts Geringeres als das pure Glück Wohnstatt bezog, aufgetaucht:
(So munkelt man, dass die Bewohner dieses Wohnkomplexes seitdem sie die Zukunft realisiert hatten, begannen regelmäßig bacchantische Kongresse abzuhalten, die aus vier Wochen intensiven Denkens und Fühlens und einem eruptiven Finale am letzten Tag des Kongresses bestanden, das alles an Festen bekannte, locker in die Ecke stellte.)
Was hört man nicht alles über die Bewohner Eisenhüttenstadt, wenn man sich mit Menschen unterhält, die aus größerer Distanz auf den Menschenschlag, dem man gemeinhin in der Straßen der Stahlstadt begegnet, schauen. Sie würden nicht richtig ticken! Ihnen fehlt es einfach an Takt!
Während die erste Aussage schwer zu objektivieren ist, da sie die Erkenntnis des richtigen Tickens, die wohl kaum universal definierbar sein dürfte, voraussetzt, und wohl eher aus einer Verquickung unglücklicher Umstände bei Stadtbesuchen oder einfach Vorurteilen herrühren dürfte, muss man der zweiten Äußerung angesichts des von langer Hand geplanten, vom Initiator exzellent umgesetzten und von der Stadtbevölkerung und besonders der (mehr oder weniger) Eisenhüttenstädter Elite weitgehend ignorierten Kongress der Futurologen leider zustimmen, sofern man in dieser Angelegenheit überhaupt von Takt reden kann.
Einen Resonanzkörper finden die Aussteller und die Vortragenden hier am denkbar richtigen Ort mit einem denkbar kargen Publikumszuspruch kaum. Vielmehr erinnert der Versuch, zeitgenössische Kunst und stadtutopisches Denken zusammen zu führen und damit einen kleinen Kontrapunkt zur üblichen und beliebten Zerstreuungskultur zu setzen, über weite Strecken an dieses berühmte Rufen im Wald. An mangelnder Publizität kann es nur bedingt liegen - immerhin hat sich die Märkische Oderzeitung frühzeitig und sehr lobenswert ins Zeug gelegt.
Durch die ramponierten Räumlichkeiten des Aktivist sind immerhin tatsächlich auch ein paar Menschen geschlendert. Das allerdings zumeist in der Hauptsache aus Interesse am Gebäude selbst und der eigenen Erinnerung, was selbstverständlich durchaus legitim ist und die EWG als Eigentümer anregen sollte, das Haus öfter mal aufzuschließen. Das Gästebuch dagegen blieb ziemlich leer und von der Vorträgen
Als Grund lässt sich eine Interessenslücke annehmen und irgendwie scheint sich zu bestätigen, dass - abgesehen von dem, was man grob mit "Nostalgie" fassen kann - das Interesse an Eisenhüttenstadt, der Architektur, der Stadtgeschichte und -entwicklung in Gegenwart und Zukunft nicht ganz überraschend eher bei externen Betrachtern zu finden ist als bei den Eisenhüttenstädtern selbst.
Die nicht ganz minimalen Leserzahlen und das einlaufende Feedback dieses Weblogs bieten ein ähnliches Bild: Ein großer Teil der Besucher schneit von irgendwo herein, nur leider nicht aus der Stadt selbst. Immer wieder überrascht dabei, dass die entsprechenden Akteure in der Stadt dieses Potential an fachlich-touristischen Interesse bislang nicht massiver zu nutzen verstehen. Das Bemühen ist durchaus da und ein paar Angebote wie das sehr gelungene Wanderfaltblatt zum Stadtteil Fürstenberg sind zweifellos hervorragend. Aber warum gibt es ein solches Blättchen nicht für die Kernstadt? Auch zum Kongress, der tatsächlich ein paar Übernachtungsgäste in den Ort holt, die sonst nicht und gerade nicht zum Stadtfest oder zu Roland Kaiser bei der EWG gekommen wären, hätte man vielleicht etwas breiter beitragen können.
Umso überraschender, dass am frühen Sonntag nachmittag tatsächlich drei Eisenhüttenstädter bereits eine halbe Stunde vor Öffnung am Aktivisten anzutreffen waren. Allerdings nicht am Portikus, sondern auf der Rückseite auf einem fünf, sechs Meter hohen Kieshaufen stehend, den irgendjemand, der mitdenkt, dort aufschütten ließ. Da standen sie mittendrin im Material, dass ihnen liegt, z.B. gut in der Hand, und ließen Steine in die wenigen noch verbliebenen Fensterscheiben sausen, dass es wahrlich eindrucksvoll schepperte und selbst ein kleines Schauspiel der Destruktionskunst darstellte.
Auf die Bitte, dies zu unterlassen reagierten die Steinknaben übrigens prompt mit sofortigem Rückzug und man kann sich sicher sein, dass die Jungs gar nichts Böses im Sinn hatten. Sie wussten nur eben nicht, was sie tun und ganz sicher auch nicht wo sie tun, was sie tun. Vandalismus setzt Beziehungslosigkeit voraus und wandert man durch den Stadtraum, entdeckt man sehr viele Zeichen, die darauf hindeuten, dass ein nicht geringer Teil der Stadtbevölkerung die Beziehung zum konkreten Wohnort verloren zu haben scheint...
Vielleicht irre ich mich und die Wahrnehmung ist zugespitzt, weil die Kunstliebhaber der Stadt gerade auf Bildungsreise durch die Tate Modern geistern. Womöglich sind - wohlgemerkt meine, nicht die der Veranstalter! - die Erwartungen an das lokale Publikum zu hoch angesetzt. Eventuell habe ich das Gewebe des - und angesichts der Bevölkerungszahl berechtigt - Kleinstädtischen, erfüllt von dem Wunsch, endlich privat, eine Stadt wie jede andere und einfach so sein zu dürfen und nicht mehr die "erste sozialistische..." vor sich her tragen zu müssen, für diese komischen Leute, die hereintrampeln aus der Fremde und sich doch nicht für das interessieren, was hier wirklich geschieht, noch nicht richtig begriffen. Richtig, Hartz IV denkt nicht an Planstädte in China. Die Utopisten - nah verwandt mit den Futurologen - wollten all die, die sie befreien wollten, immer nur an neue Ketten legen und seien es die der Tugend...
Ganz sicher zielen die Vorstellungen von Stadt und Stadtgesellschaft in verschiedene Richtungen. Aber manchmal wünscht man sich - hier wie dort - ein paar Berührungspunkte, obschon die, die sich überlegen fühlen, es vielleicht auch sind und regelmäßig postulieren, dass in dem "Assi-Ghetto" bzw. "Industriekaff" an der Oder "Hopfen und Malz" verloren sind und sich nur ein hoffnungslos naiver Tropf bemühen würde, dort auch nur eine halbe Silbe Engagement einbringen zu wollen, das Ganze auch noch gegen den ausdrücklichen Willen der Bevölkerung, die bevorzugt "zwischen Fernsehgerät und Kaufland" pendelt und ansonsten vor allem Kaufkraft und Ruhe haben möchte, bestenfalls mitleidig lächeln.
Man kann sich in solcher Lage vermutlich nur mit Kunst und Romantik retten und bewahrtem Abstand und am Ende häufig die Stadt eigentlich nur ohne die Menschen nehmen. Der Kongress, so wie ich ihn im Verlauf wahrnehme, ist leider vor allem dies...
Nun aber den Ehst-Blues abgeschüttelt und zurück zum Zweckoptimismus! Noch blühen die Blumen am Fließ und noch ist ein anderes Kongresserleben möglich und zwar am nächsten Wochenende beim "Tag des Aktivisten". Dann stellt sich heraus, wie die Stadt tatsächlich tickt und ob und wo sie Takt hat: Am Samstag wird Franciska Zólyom vom Institute for Contemporary Art aus dem ungarischen Gegenstück zu Eisenhüttenstadt, Dunaújváros (ehemals Sztálinváros, d.h. Stalinneustadt), über eine "Stadt ohne Zentrum" sprechen. Wie eine solche aussehen kann, lässt sich vor Ort leicht prüfen, auch wenn die Route der sonntäglichen Stadtführung vermutlich das ungebaute Zentrum aussparen wird.
Abseits der Wanderstrecke füllt sich der Aktivist hoffentlich mit Menschen, wie man es sonst nur noch von den legendären Jugendweihefeiern erinnert. Dort steht nämlich von 12 bis 24 Uhr gut Programm inklusive Live-Musik und womöglich sogar Tanz und die Vorstellung des Begleitbuches zum Kongress auf dem Veranstaltungsplan.
Die Bewohner Eisenhüttenstadts sind dabei doppelt aufgerufen: Einerseits sollen sie hingehen und all das genießen und erfahren und wirken lassen, was ihnen gratis, frank und frei dargeboten, ohne dass sie mehr als ihre Körper (hin)bewegen müssen. Der Kongress ist immerhin ein Geschenk an die Stadt, auch wenn es so mancher nicht haben mag. Zweitens sollen sie - falls vorhanden - ein Metronom im Gepäck führen. Denn tatsächlich geht es u.a. darum, mittels dieser Taktgeber dem Herzschlag der Eisenhüttenstadt nachzuspüren.
Es wäre wirklich schön (und ohne Ironie) - trotz dem angekündigten Partyexodus der lokalen Massen zum Altstadtfest im nahen Beresinchen (Frankfurt/Oder) - wenn ein gewisser Pulsschlag spürbar wird...
Ein Bild am Ende des Sommers
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Seit gestern stellt die New York Times, gleich nach der Märkischen Oderzeitung tägliches Pflichtblatt für uns in der Blog-Redaktion, ihr Webarchiv weitgehend und allgemein zur Verfügung, was wir sofort nutzen, um alle Eisenhüttenstadt-spezifischen Artikel der letzten Jahre herauszusuchen. Das obige Zitat stammt beispielsweise aus einem recht üppigen Report über das Dokumentationszentrum von Richard Bernstein, erschienen im Januar 2004: Eisenhüttenstadt Journal; Warm, Fuzzy Feelings for East Germany's Gray Old Days. Allerdings hatten wir bereits neulich einen Verweis auf diesen Text.
Here in Eisenhüttenstadt -- Steel Mill Town -- a few miles from the Polish border, ostalgie has been provided with its own museum, officially known as the Documentation Center on Everyday Life in the G.D.R. It is just down the road from the giant steel mill built here in the early 1950's as an industrial showpiece.
Was dagegen kaum jemand weiß, ist jedoch, dass die NY Times bereits 11 Jahre zuvor einen kleinen Hinweis auf ein Ostalgie-Erinnerungsmuseum in Eisenhüttenstadt in der Ausgabe hatte:
The theme park would not be the first center commemorating the country that was officially called the German Democratic Republic. A museum in the Communist youth group's former Berlin headquarters has proven very popular, attracting hundreds of visitors daily. And the eastern city of Eisenhuttenstadt has decided to open a similar museum.Was aus Frank Georgis DDR-Themenpark tatsächlich wurde, ist nicht überliefert.
Ebenfalls 1993 - am 03. März - schrieb Roger Cohen einen ausführlichen Beitrag über die Probleme, das EKO Stahlwerk am Leben zu erhalten und dieser Artikel lohnt tatsächlich als Lektüre, wenn man sich einmal in diese Jahre zurückdenken möchte:
When this town was built in 1950, it was named Stalinstadt and proclaimed as "Germany's first socialist city." Constructed in totalitarian drabness around a steel plant, the place was conceived as a monument to the industrial prowess of Communist states, with iron ore coming from the Soviet Union and coke from neighboring Poland.But two and a half years after German unification and the collapse of the East European trading bloc, the steel mill and the town that depends on it now stand instead as a monument to the destructive energy unleashed when Communist central planning meets the forces of a recession-hit market economy. ...
A sign held by a steelworker dummy placed at the gate of the vast plant defiantly proclaims, "Ich Will Hier Arbeiten" -- "I want to work here." But the fact is, on the grounds of strict market logic, that the most obvious solution to Eko Stahl's plight would be to close it down.
"We considered shutting Eko Stahl because it is inefficient and there is already too much steel in Germany and Europe," said Walter Hirche, the economic affairs minister for the state of Brandenburg, where the plant is situated. "But then you confront the fact of where it is. There is nothing else in or around Eisenhuttenstadt but this steel mill. We would have said to 50,000 people, 'You're finished.' "
...
But Irene Liebau, an official at the Treuhand, said the agency had taken a different view, deciding that the company must be supported. In this case, the free market has, in effect, been viewed as too ruthless, and an attempt is likely to be made to save Eisenhuttenstadt with public money.
A Plant too Big for Germany to Close
Und schließlich finden sich noch Meldungen aus den Jahren 1991 und 1992, als sich Mannschaften der Eisenhüttenstädter Jugend anschickten, es einigen Rostockern und Zugereisten gleich zu tun. (Harald Ewert, der berühmte Mann mit der nassen Jogginghose, dem Deutschland-Trikot und dem erhobenen rechten Arm, ist übrigens, wie die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift Neon berichtet, letztes Jahr gestorben):
Last week, neo-Nazi skinheads battled the police at the big refugee center in Eisenhuttenstadt, farther north, where more than 1,000 refugees, about 90 percent of them Romanians, are interned in converted barracks designed for only several hundred. (11. August 1991)
The worst violence Friday was in Eisenhuttenstadt, near the border with Poland. About 200 police officers and border guards fought for two hours with 60 rock-throwing militants who tried to storm a refugee center.Five police cars were wrecked in the battle outside the center. One police officer suffered a leg injury, and four rightists were arrested. (5. September 1992)
A crowd of 150 young extremists threw rocks and firebombs at a refugee processing center in Eisenhuttenstadt, near the Polish border. They were driven back by the police, and seven people were arrested. (6. September 1992)
Racist rioters clashed with the police overnight in the eastern German town of Eisenhuttenstadt, the site of recent attacks on a hostel for refugees, the police said today. (7. September 1992)
Zudem fragt man sich, was Mike Schmidt wohl heute sagt, wenn er liest, was er damals der New York Times Magazine-Reporterin Judith Miller sagte, die ihn daraufhin zu niemand Geringerem als dem Kärtnerer Polit-enfant terrible Jörg Haider in Beziehung setzte:
Germany has no Jorg Haider, no charismatic right-wing rising star. In fact, the Republicans, the country's extreme right-wing party, lost heavily in the last federal elections despite trying to make an issue of immigration. But Germany does have Mike Schmidt, a 16-year-old who lives in Eisenhuttenstadt on the German-Polish border.
Mike says he has not always hated foreigners. He used to be politically neutral, but that was before the Berlin wall came down, the two Germanys became one, part of his steel factory closed and the asylum seekers arrived from Romania and points south and east. Mike is a slender young man with close-cropped hair, clad in blue jeans and T-shirt, with a tiny gold earring glistening in his left earlobe.
"Now," he says, "most people here want the foreigners gone."As he has watched foreigners living in the camp, buying food and amusing themselves in town -- all at taxpayer expense -- Mike's rage has grown. Only the day before, he says, gypsies from the camp attacked him and trashed the motorcycle of his friend Karsten. "After we've skinned alive the guys who did this, should we roll the skin up or down?" Karsten asks Mike. (15. September 1991)
Soviel zum Schwarzbuch Eisenhüttenstadt. Leider nicht frei zugänglich ist ein Artikel vom 2. August 1981, indem u.a. die Eröffnung des evangelischen Gemeindezentrums in der Robert-Koch-Straße am 31. Mai 1981 als Vorzeigeprojektes des Sonderbauprogramms der DDR zur Errichtung von Kirchen in Neubaugebieten erwähnt wird. (mehr dazu hier)
Ebenfalls nicht komplett frei zugänglich ist die Kurzmeldung vom 14. November 1961 die in schönem Jargon des Kalten Krieges "German Reds Change Stalinstadt's Name" betitelt ist und folgendermaßen beginnt:
East Germany changed the name of the industrial city of Stalinstadt today as part of what appeared to be a sweeping campaign to obliterate all references to Stalin from the country's public life.Den Stalinstädtern hatte man damals natürlich etwas anderes erzählt. Leider auch nicht frei verfügbar ist die AP-Meldung vom 10. Oktober 1954 über eine Explosion im Stahlwerk kurz nach einem Besuch Wjatscheslaw Molotows im selbigen. Der nach ihm benannte Cocktail erhielt allerdings schon im sowjetisch-russischen Winterkrieg 1939/40 die entsprechende Bezeichnung. Erfunden wurden die Brandflaschen übrigens von den Finnen und auch in Serie produziert.
Und wie gern würde man den Bericht von Walter Sullivan, gedruckt am 13. März 1956 lesen, der ansetzt:
East Germany's "first Socialist city," whose construction was begun in 1951 on the Oder River, is half finished.Oder eine Reportage vom 17. August 1961 zum 10jährigen Bestehen Stalinstadts:
The red banners of Stalinstadt, hoisted to mark the city's tenth anniversary, fluttered today in a sharp breeze blowing from the eastern Polish plains across the Oder River into East Germany.Da wird wohl demnächst einmal ein Gang in die Mikrofilm-Abteilung einer nahen Bibliothek anstehen, um auch den älteren Ausgaben der New York Times ihre Stalinstädter Geheimnisse zu entreißen.
Bis es soweit ist, lesen wir aber noch ganz schnell in Jan Kurzens Berlin Krimi "Der Tote im Hafen" aus dem Jahr 2006 herum. Denn da steht u.a. folgender Dialogschnipsel:
"[...] Wie wir dann über die Leninallee zum Haus der Parteien und Massenorjanisationen sind...da jab es deine Mutter noch jar nich... Eisenhüttenstadt ... haben wir ooch alle mit Stolz daran mitjebaut ... das Kombinat ... Stalinstadt ... der >Aktivist<. Jibt es die Kneipe eijentlich noch? [...]" (S. 74)Auch wenn niemand, der an Stalinstadt mitjebaut hat, so reden würde, finden wir es klasse, dass der Mythos so schön weiterlebt und sei es in einem "Tatort Ost"-Krimi des Mitteldeutschen Verlags.
Was die Frage nach dem Aktivisten angeht: Ja und nein. Momentan gibt es ihn noch, jedoch nicht mehr als Kneipe, sondern als Kongresszentrum der Futurologen. Und auch all die, die sich für den Krimi nicht ganz so erwärmen konnten, sollte, falls möglich, die seltene Chance nutzen, und einen Blick in die Ausstellung zu werfen. Oder zur Stadtführung am Sonntag mitkommen.
- Abbildung ähnlich -
Aufnahme: September 2007
P.S. Was wir unseren Lesern als interessanten Fakt zur Stadt zur Nacht für die nächste Popkomm-Partyunterhaltung mitgeben wollen, ist, dass Eisenhüttenstadt nur so heißt, weil Stalin halbwegs überraschend 1953 starb. Denn eigentlich wollte man die Wohnstadt des EKO mit großem Brimborium Karl-Marx-Stadt nennen, sah sich nun aber gezwungen, ein solidarisches Zeichen zu setzen und nannte die erste sozialistische Stadt auf deutschem Boden Stalinstadt. Für Karl-Marx-Stadt fand man andernorts Verwendung und so kam Chemnitz zu seinem Namen. Wäre Stalin jedoch nicht gestorben, hätte man vermutlich 1961 nichts umbenannt und vielleicht würde das sympathische Stahlwerkerstädtchen noch heute so heißen. Ach, wie die Dinge manchmal laufen...
Am zufriedensten sind die Menschen in der Region Kempten / Kaufbeuren / Memmingen (Postleitzahl 87), gefolgt von Münchener Umland / Fürstenfeldbruck / Starnberg / Garmisch-Partenkirchen (PLZ 82) auf Platz 2 sowie Villingen-Schwenningen / Konstanz / Tuttlingen / Rottweil (PLZ 78) auf Platz 3. Höchstplatzierte nicht-süddeutsche Region ist Osnabrück / Ibbenbüren / Diepholz / Cloppenburg (PLZ 49) auf Rang 14. Auf den letzten drei Plätzen der Umfrage landen Bautzen / Görlitz / Hoyerswerda / Zittau (Platz 92, PLZ 02), Frankfurt an der Oder / Eisenhüttenstadt / Fürstenwalde / Königs Wusterhausen (Platz 93, PLZ 15) sowie - als Schlusslicht - Halle (Saale) / Dessau / Quedlinburg /Zeitz (Platz 94, PLZ 06).
Eine Umfrage der Zeitschrift Healthy Living enthüllt: Die Menschen im PLZ-Bereich 15 sind mächtig unzufrieden "mit den gesundheitlichen Verhältnissen an ihrem Wohnort":
Insgesamt stellten HEALTHY LIVING und die DAK den 17 000 Teilnehmern der Untersuchung zehn gesundheitsbezogene Fragen, die nach dem Schulnotensystem ("sehr gut" bis "ungenügend") beantwortet wurden, darunter "Gibt es in Ihrer Region genügend Ärzte und Kliniken?", "Stimmt das Angebot an gesunden Lebensmitteln?", "Wie gut ist die Versorgung mit Alternativ-Medizin?" und "Wie bewerten Sie das Angebot an Sport- und Erholungsmöglichkeiten?"Ob wir uns mit dem Thema weiter beschäftigen, wird ganz von der persönlichen gesundheitlichen Entwicklung abhängen. Ich war jedenfall in den letzten zwei Jahren nur zweimal in der Notaufnahme des Eisenhüttenstädter Krankenhauses und konnte - so oder so - beide Male nicht klagen. Anders beispielsweise als bei einem Besuch im hochrennomierten Unfallklinikum Marzahn im letzten November, bei dem sich der ägyptische Gastarzt und ich als Patient nicht auf eine gemeinsame Sprache einigen konnten. So hängt also die Beurteilung immer auch an spezifischen Erfahrungen und Begegnungen und vielleicht auch am Allgemeinbefinden jenseits gesundheitlicher Aspekte.
Während die Märkische Oderzeitung einiges Aktuelles zur ProGroup-Papierfabrik und zum Gazprom Gasturbinenwerk meldet, beschäftigen wir uns mit ganz anderen Dingen und haben weiter nichts zu schreiben. Aber zu zeigen - und zwar ein herausragendes Exponat urbaner Verpackungskunst im Eisenhüttenstädter Stadt- und Straßenkunstraum:
Was Menschen, die mittels der einschlägigen Reportagen des Privatfernsehens aufgeklärt wurden, für eine Hommage an die auto-erotische Asphyxiation halten mögen, lässt tatsächlich auch andere Interpretationen zu.
Beachtenswert ist zum Beispiel die nun schon vielleicht seit 17 Jahren nicht genutzte Fahnenhalterung, unter der sich die blau verhüllte Figur - halb Menschenfigur, halb Kreuzandeutung - befindet. Verlust einer eindeutigen Identifikationssymbolik? Eine Leerstelle über den Menschen?
Und dann: Im Kopfbereich sind über die lichblaue Plastikhülle quer orange Streifen mit schwarzem Trauerflor geklebt - ein Wink zur Ukraine vielleicht, an das Scheitern der großen Erwartungen an eine friedliche Revolution?
In jedem Fall, trotz kräfiger Farben, findet sich hier ein deutlicher Ausdruck der Verlassenheit, wobei das in sich luftdicht verschnürte Objekt durch ein korrespondierendes Zeichen im Hintergrund scheinbar unabwendbar allein wie haltlos in seiner Isolation und Selbstgefangenheit am Laternenmast aus den 1950ern über dem Kopfsteinpflaster (nicht im Bild) dieser Stadt hängen bleibt. Denn dieses bezugnehmende Schild sagt nichts anderes als: Hier wie dort ist Halten verboten.
Aber halt doch! Schau genau, beschleunigter Betrachter! Das Verbot gilt nur fast, denn als Hoffnungszeichen erscheint die improvisierte Verbotslockerung, ebenfalls in Blau, immer noch, der kalten Farbe der Melancholie. Eine leise Anspielung aber, so wie der frühe Vogel auf dem kahlen Ast im frühen Jahr, der auf anstehendes Frühlingsglück hindeutet!? Wer weiß, wer weiß...
Foto: ehstiques bei Flickr
P.S. So eben lese ich in der Märkischen Oderzeitung, dass eine der beliebtesten Spielecken der Kinder des V. Wohnkomplexes vermutlich unbespielbar wird: der Zugang zur Kanalisation am "Modderkanal":
Dort befindet sich momentan noch der Auslauf eines gewaltigen Abflussrohres, durch welches das Regenwasser aus dem fünften Wohnkomplex in den alten Arm des Oder-Spree-Kanals gespült wird. Die Öffnung des Rohres, das einen Durchmesser von einem Meter hat, wird derzeit nur durch ein Metallgitter bedeckt. "Das ist zum Schutz da," sagt Hutopp. "Damit da niemand reinkriecht." Denn, wenn es wie aus Kannen schüttet, sprudelt da fast schon eine kleine, ein Meter hohe Flutwelle heraus. Diese Sicherungswand, die in den 50er Jahren entstanden ist, wird nun abgerissen", erklärt der Diplomingenieur. Die Vorrichtung entspricht nicht mehr den Anforderungen einer zeitgemäßen Abwasserreinigung für Regen.Mit dem Rohr verschwinden um die 200 Birken und Pappeln, die irgendwo in den Diehloer Bergen durch Neuanpflanzungen kompensiert werden. Hier aber, am Zugang zur Insel, fehlen sie von nun an...
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