Björn hat in seinem Kommentar schon darauf hingewiesen, aber die Kommentarglocke ist mir für dieses jüngste Armutszeugniss, dass sich Stadt- und Kreisverwaltung nun in ihr Schwarzbuch schreiben lassen müssen, nicht groß genug. Die Märkische Oderzeitung berichtet heute noch einmal vom schmählichen Ende der Volkshochschule Eisenhüttenstadt, die mit der üblichen Totschlagbegründung "knappe Kassen" in recht plumper Form und dafür großer Kurzsichtigkeit geschlossen wird. Böse Zungen behaupten, dass man das Geld für die Gage von Otto Waalkes auf dem nächsten Stadtfest benötigt, was so sicher nicht stimmt, denn dann würde man nicht auch noch den Heimattiergarten und eventuell demnächst das Dokumentationszentrum zur Disposition stellen. Was die Stadtverordneten, Kreistagenden und natürlich auch der Bürgermeister nicht so richtig verstanden haben, ist, dass die Bürgerschaft der Stadt Eisenhüttenstadt nicht ausschließlich aus fernsehsüchtigen Kleingärtnern besteht, denen einmal im Jahr Grillwurst und Bier zu schlechter Musik reichen, um die Zeit bis zur Altersarmut zu überbrücken, sondern manchmal auch aus Menschen, die gern etwas Perspektive für sich und ihre Heimatstadt sehen würden.
Mindestens zwei von ihnen wurden im LOS-Kreis (Leben ohne Sinn) Selbstachtung und Vertrauen in die Fähigkeit einer gewählten Bürgervertretung(!) und der Kompetenz einer bezahlten Verwaltung beim gestaltenden Umgang mit den - zugegeben nicht ganz leichten - Struktur- und Systembedingungen des nachwohlfahrtsstaatlichen Deutschlands fahrlässig zerschlagen:
Zustimmung für die Schließung der VHS gab es damals auch, weil der Landkreis versprach, zwei neue Stellen auszuschreiben, auf die sich die zwei Mitarbeiter bewerben könnten. Das taten Jörg Schmidt und Heike Bogatsch, aber eine der Stellen war eine Verwaltungsstelle, die durch eine interne Umsetzung vergeben wurde. Für die andere kam Heike Bogatsch ins Bewerbungsgespräch, entschieden wurde sich jedoch für eine andere Bewerberin. "So sind zwei Mitarbeiter mit 17 Jahren Kontakten und Erfahrung in die Arbeitslosigkeit gesetzt worden", sagt Jörg Schmidt. Wenigstens der Sekretärin wurde eine Weiterbeschäftigung in der städtischen Verwaltung ermöglicht.
Für letztere Stellenrettung kann man natürlich dankbar sein, eine Glanzleistung ist das beileibe nicht.
Nun spült man zwei engagierte Menschen nonchalant zu den übrigen declassés, die im kleinstadtadäquaten Erfüllungsdrang vermeintlich ökonomischer Zwänge, die aber irgendwie auch Resultat einer seit 1990 dominierenden Konzeptionslosigkeit der Entscheider auf Stadt- und Kreisebene sein könnten, geopfert wurden. Und Kollege Mickosch, der alles ein bisschen relativiert und schön einfärbt, könnte sich bei der nächsten Kreisstrukturreform (Ein Staat muss immer sparen, denn die fetten Jahre usw. usf. ...) in vergleichbarer Lage sehen. Wohl dem, der Rücklagen hat, wenn er in Rücklage gerät.
Das gilt selbstverständlich auch für die Maschinerie der Stadt, aus der die beiden VHS-Mitarbeiter nun als überflüssige Rädchen ausgesondert wurden. Man kann tatsächlich noch ein paar Jahre von der Substanz leben, aber irgendwann ist auch die perdu (Dresden wird seinen Wohnungsbestand auch kein zweites Mal veräußern können...). Was wird danach kommen? Kopfsteuern, die mit der Begründung erhoben werden, dass man gratis Chris Norman zujubeln kann?...Es geht hier nicht unbedingt um die Volkshochschule, sie ist nur ein jüngstes Beispiel. Es geht um den kulturellen Niedergang in Ostdeutschland, speziell in Eisenhüttenstadt. Denn so sehr Deutschlands Neue Länder auch Spielball externer Interessen waren (und sind), ein nicht geringer Anteil an dem desaströsen Abbau von kulturellen (und Sozial-)strukturen ist leider auch sehr hausgemacht.
Der MOZ-Beitrag: Nur noch eine Regionalstelle