• Zur Suche springen
  • Zum Inhalt springen

Eisenhüttenstadt Blog

Weblog für eine alternative Stadtwahrnehmung

  • Blog
  • Beitragsarchiv
  • Informationen für Autoren
  • Stadtwiki
  • Impressum

Geschrieben von
Ben
in Stadtbild
Freitag, 9. März 2012
1 Kommentar

Die Weltgeschichte der Literatur weiß so gut wie nichts von einer Dichterin namens Mia Klinkhardt. Sogar die Eisenhüttenstadt-Literaturgeschichte weiß wenig von ihr. Mein Blogkollege Andi Leser verlieh bereits 2007 im Angesicht eines schönes Wintergedichtes selbiger Autorin seiner Ratlosigkeit in einem kleinen Beitrag im Lobbuch Stahlinstadt Ausdruck. Und das Eisenhüttenstadt-Wiki biografiert Mia Klinkhardt mit nur einem Satz:


„Mia Klinkhardt war Schuldirektorin in Eisenhüttenstadt und schrieb Gedichte, die in Buchform publiziert wurden.“

Das ist ein wenig handfester als das berühmte „Aristoteles wurde geboren, lebte und starb“. Aber mehr auch nicht. Die Deutsche Nationalbibliothek, die bekanntlich alles sammelt, was im deutschsprachigen Raum erscheint, verzeichnet sechs Publikationen, davon eine vermutlich aufgrund einer Erfassungsvariation (Kalabums und Kala bums, jeweils Weimar 1947) doppelt. Diese laufen unter der Gattungsbezeichnung „Jugendschriften“, sind also für die Zielgruppe der ab 12-Jährigen (der 1950er Jahre) konzipiert. Der Antiquariatsmarkt hält ab und an noch ein Exemplar dieser Titel zu vergleichsweise recht hohen Preisen bereit. Allerdings liegt uns keines vor.

Was uns aber vorliegt, ist ein hübsches, literarisch nicht übermäßig forderndes Beispiel von Eisenhüttenstadt-Lyrik, in der die zu diesem Zeitpunkt sicher bereits lange pensionierte Lehrerin einen dieser Erinnerungsorte Eisenhüttenstadts beschreibt, der zuletzt als Ort eines mehr oder weniger Kunstraubs in den Regionalschlagzeilen noch einmal aufblühte:


" „Wie es an dem Abend genau war, weiß ich nicht mehr“, sagt Steffen K. Auf jeden Fall haben er und die anderen sich im „Schluckspecht“ an der Holzwolle getroffen, auf ein „Feierabendbier“. Wer auf die Idee gekommen ist, zunächst die „Schimpansenkinder“ zu stehlen, das weiß nun keiner der Angeklagten mehr. Laut Staatsanwältin wollten die Männer mit den Metallarbeiten im Schrotthandel ein wenig Geld verdienen. Mit dem Mazda, den sich Sven S. von seinen Eltern geliehen hatte, geht es irgendwann nach 22 Uhr zum Rosenhügel - ohne jegliches Werkzeug. Deshalb rütteln die fünf jungen Männer an den Bronzeaffen, die sie selbst noch aus der Kindheit kennen. „Als Erstes ist ein Arm abgebrochen“, erzählt Gerd S. Doch sie rütteln weiter. Irgendwann gibt auch die Verankerung nach, die laut Richter Peter Wolff bereits etwas angerostet war. „Das ging ziemlich schnell, zwei Minuten vielleicht“, schätzt einer der Angeklagten. Mit vereinten Kräften schleppen sie ihr Diebesgut zum Auto und bringen es in eine Garage.“ -(Janet Neiser: „Wir hatten alle die Hosen voll", Märkische Oderzeitung / www.moz.de am 07.02.2012 - www.moz.de/artikel-ansicht/dg/0/1/1008284)

Die deprimierende Kombination einer solchen Gefährdungslage durch wilde Sägereien mit den ortsüblichen Sparzwängen führte dazu, dass sämtliche dieser Metallarbeiten auf dem Rosenhügel versetzt wurden. Glücklicherweise jedoch nicht im Pfandhaus sondern in den belebteren Stadtraum – hauptsächlich naheliegend den Hügel hinunter ins Gartenfließ, wo sich nun eine fast museumsartig hohe Skulpturendichte findet.

Der Rosenhügel selbst verwaist dagegen wie auch der Stadtpark Insel, denn mit den Skulpturen geht auch letzte Quantum Anziehung für die meisten Menschen. Beide Orte addieren sich zu den zahlreichen aufgebenen Räumen Eisenhüttenstadts und vielleicht sind sie auch als Erholungszonen, als die sie einst für linde Sonntagsstimmungen angelegt wurden, nicht mehr notwendig.




Die Letzten ihrer Art. Solange allerdings die Sandsteinpreise nicht explodieren, wird es keinen Anlass geben, die beiden vereinsamten verbliebenen Skulpturen vom Rosenhügel abzuziehen. Denn was man ihnen abschlagen kann (Nasen), schlug man ihnen bereits ab. Nun wittern sie wunschlos vor sich hin 


Stadträumlich ist dieser Verlust aber nicht weniger einschneidend als der Rückbau im V., VI. und VII. Wohnkomplex. Und da Rosenhügel und Insel noch weitaus intensiver (u.a. da stadtgeschichtlich länger) als Zonen herausgehobener Momente in den Biografien sowohl der Stadt wie auch vieler ihrer Bewohner eingeschrieben sind, wiegt der Verlust fast noch schwerer. Der Rosenhügel war etwas, ohne das Eisenhüttenstadt seit seiner Anlage in den 1960er Jahren nicht denkbar war. Sämtliche Selbstdarstellungen von der Propaganda zur Ersten Sozialistischen Stadt bis zum Tourismusmarketing der Stahlstadt bezogen ihn ein und sei es nur als Perspektive für die Werbefotografen. 
Mia Klinkhardt hat diesen Zeitgeist irgendwann vor langer Zeit in etwas holprige aber dafür vermutlich grundständig authentische Reime genagelt. Und weil wir uns als Sammelbecken solcher Fragmente der Identitätsdokumentation verstehen, können wir nicht umhin, sie hier aufzuheben: 



Unser Rosenhügel


Der Rosenhügel schmiegt sich an den Hang

vom Laubwald bis zum Rand der Stadt.

Die Luft vibriert in buntem Vogelsang

und saugt sich an dem Rot der Rosen satt.

Die Plastiken an steilen Wegessäumen

sind lichtbehauchte Splitter der Kultur.

Sie lassen uns mit offenen Augen träumen,

verschmelzen mit dem Pulsschlag der Natur.

Am Eingang liegt ein Esel aus Metall,

von einem frechen Mückenschwarm umschwirrt.

Ein Pärchen spannt den Schirm auf für den Fall,

daß es trotz Sonne doch noch regnen wird.

Hoch oben auf dem Rosenhügel

trabt ein Mongole mit dem Enkelkind

auf einem Esel, ohne Zaum und Zügel,

im friedevollen, durftverbrämten Wind.


(Mia Klinkhardt)


Tags für diesen Artikel: , , literatur, mia klinkhardt, , stadtentwicklung
Artikel mit ähnlichen Themen:
  • Zum 65. Stadtgeburtstag: Das Dokumentationszentrum zeigt Christine Kisorsys Lunik-Fotografien.
Trackbacks
Trackback-URL für diesen Eintrag
Keine Trackbacks
Kommentare
Ansicht der Kommentare: (Linear | Verschachtelt)
#1 Martin Maleschka am 03/10/12 um 11:57 [Antwort]
1a
Kommentar (1)
Kommentar schreiben
Umschließende Sterne heben ein Wort hervor (*wort*), per _wort_ kann ein Wort unterstrichen werden.
Standard-Text Smilies wie :-) und ;-) werden zu Bildern konvertiert.
Die angegebene E-Mail-Adresse wird nicht dargestellt, sondern nur für eventuelle Benachrichtigungen verwendet.

Um maschinelle und automatische Übertragung von Spamkommentaren zu verhindern, bitte die Zeichenfolge im dargestellten Bild in der Eingabemaske eintragen. Nur wenn die Zeichenfolge richtig eingegeben wurde, kann der Kommentar angenommen werden. Bitte beachten Sie, dass Ihr Browser Cookies unterstützen muss, um dieses Verfahren anzuwenden.
CAPTCHA

BBCode-Formatierung erlaubt
 
   
 
Kommentare werden erst nach redaktioneller Prüfung freigeschaltet!
 

Themen

abriss Andi Leser Architektur bahnhof berlin blog DDR eko Erinnerung flickr fotografie Graffiti insel Internet Kinder der Stadt kultur Kunst Kurz notiert lindenallee lokalpolitik moz plattenbau presse Pressespiegel Rainer Werner Sonstiges Stadtbild Stadtentwicklung stadtfest Stadtgeschichte Stadtumbau stadtumbau ost Stalinstadt Theorie unsinn Veranstaltungen weblog wirtschaftsentwicklung Wohnkomplex V wohnkomplex vi Wohnkomplex VII Zukunft

Kategorien

  • Devotionalien (26)
  • Postkarte nach Ehst. (10)
  • Exil (15)
  • Internet (53)
  • Kinder der Stadt (17)
  • Lindenallee (32)
  • Pressespiegel (101)
  • Kurz notiert (26)
  • Sonstiges (195)
  • Sport (14)
  • Stadtbild (174)
  • Stadtgeschichte (30)
  • Theorie (44)
  • Umland (6)
  • Veranstaltungen (55)

Alle Kategorien

Kommentare

wieland zu
Mo, 04.11.2013 17:42
Hallo Ben, i ch finde Deinen Vorschlag für ein Schil [...]Kommentare ()
Ben zu Der kurze Weg zur Schule. Ein Fundfoto von irgendwo.
Do, 16.05.2013 23:26
Die Vermutung l iegt nah, ist a ber leider nich t zutreff [...]Kommentare ()
Wollenberg zu Der kurze Weg zur Schule. Ein Fundfoto von irgendwo.
Do, 16.05.2013 22:09
Das Foto Der k urze Weg zur Sc hule wurde in Eisenhütt [...]Kommentare ()
Hans Joachim Stephan zu
Do, 17.01.2013 14:20
Sehr geehrte Da men und Herren, sehr bedauerl ich, welc [...]Kommentare ()

WWW

Web 1.0
Eisenhüttenstadt.de
Tourismusverein Oder-Region Eisenhüttenstadt e.V.
Dokumentationszentrum zur Alltagskultur der DDR


Märkische Oderzeitung Eisenhüttenstadt
Blickpunkt - Ausgabe Eisenhüttenstadt
Oder-Spree Fernsehen
Oder-Neiße-Journal
Royal-Rangers Stamm 329 (Pfadfinder)

Web 2.0
ehst-twitter
wiki.huettenstadt.de

ehst-Facebook
Irre Führung Ehst.
eisen.huettenstadt.de feedburner

ehst.delicious - Bookmarkliste
FlickrGroup Eisenhüttenstadt
Seen | Eisenhüttenstadt
Logbuch Eisenhüttenstadt
urbanistiques ehst
blog.planverfasser.com (Eisenhüttenstadt/Cottbus)


Nachbarn
Hauptstadtblog
Deutschlandpuls
Kunst am Wege
Frau Indica
Freestland
sovietpostcards.net
Die Liebe und die Sowjetmacht
Terra Poetica
Photoblog Dunaújváros

Wichtige Seiten
Notfallseelsorge Landkreis Oder-Spree
lustige Videos
/usr/local/bin sei smart - nutze Linux!
Verhütung

Webdesign, CMS und Onlineshop?
Webdesign Eisenhüttenstadt
Wohnungen
Singles aus Eisenhüttenstadt
Branchenbuch Eisenhüttenstadt
Raus aus Hütte. Auf nach Paris.

Shopping-Tipps
Möbelkauf in Eisenhüttenstadt
Leuchten & Lampen
Einbauküchen kaufen
Möbeldiscounter in Eisenhüttenstadt
Seniorenbedarf
Heimwerkerfachmarkt in Eisenhüttenstadt
Lagertechnik und Lagerlogistik
Sehenswürdigkeiten & Souvenirs aus Berlin

Empfehlungen

Login für Autoren

Passwort vergessen?

Bookmarks

laemmy.net

BlogCounter.de - kostenloser Counter für Weblogs

Lizenz

Creative Commons License - Some Rights Reserved
Der Inhalt dieses Werkes ist lizensiert unter der Creative Commons Lizenz

  • Webdesign Eisenhüttenstadt
XML RSS-Feed twitter Twitter
Powered by s9y & Optional Necessity