Jawohl, nun ist es wieder soweit. Die Outdoor-Saison überzieht die Parkanlagen mit Picknickkörben und -decken, Grill-Flashmobs, Anbändeleien und viel (oft zu viel) freigelegter Haut. Die Hautärzte haben noch drei Monate Schonzeit und auch uns zieht es in jeder freien Minuten der wunderbar langen Tage hinaus ins Freie und ans Rheinufer zu Petersau, wo man sich ein wenig an die sanftmütige Oder zurückträumt, denn hier liegt weitab, als wäre es Aurith, allerdings im konkreten Fall mit der Chipsfabrik von Chio Chips im Ort, der große Fluß ganz stille dar. Im Oderland assoziiert mit Chips und Fabriken eher etwas anderes, was aber mit Eisenhüttenstadt nichts zu tun hat und daher auch links der Oder liegen gelassen wird.
Da bliebe also wenig Blogstoff für unser Sujet, wenn nicht aus irgendeinem verwegenen Grunde Franz Prinz von Bayern, immerhin Wittelsbacher, Kunstliebhaber sowie Nachfahre der Maria Stuart auf einer Brandenburger Landpartie in Eisenhüttenstadt zur Rast eingekehrt wäre. Dort ließ er sich von niemand Geringerem als dem Bürgermeister Rainer Werner in die glücklicherweise übersichtliche Stadtgeschichte einweihen ließ:
Da ist man schon beinahe glücklich, dass man dem nicht beiwohnen musste. In gewisser Weise ist die Stadt dank ihrer tiefen Verwurzelung im sozialistischen Arbeiterideal entschuldigt, da stadtintern das Wissen über den Umgang mit Blaublütigen jahrzehntelang beinahe ausschleßlich über DEFA-Märchenfilme tradiert wurde und man Bücklinge nur aus Heringsdorf kannte. Entsprechend hilflos wirkt dann leider auch der Bericht zum Besuch in der Märkischen Oderzeitung, der mit der abenteuerlichen Überschrift "Königlicher Besuch in der DDR-Retortenstadt" eröffnet. Das klingt nach König Drosselbart trifft das vielgesuchte wunderbunte Vögelchen, hält aber nichts von dem, was man sich aus einer solchen Verbindung versprechen könnte.
Im Detail konnten die Besucher vor allem architektonische Besonderheiten im Buch "Die Planstadt" nachlesen, das ihnen Werner neben einem Eisenhüttenstadt-Anstecker und erfrischenden Pfefferminzbonbons mit auf die weitere Reise gab.
Auch verpasst wurde, bei Herrn Pückler, "der mehrmals wöchentlich zwischen seinen beiden Wohnsitzen in München und Branitz bei Cottbus pendelt" (MOZ), nachzufragen, ob sich denn der Zentrale Platz nicht als vorzüglich für eine repräsentative Gartenanlage anböte, allerdings mit Stahlhütte und Pappkartenhaus statt Minerva- und Apollotempel. Nicht bestätigt ist übrigens auch die prinzliche Aussage, er hätte sich das Ende der Welt, als das Eisenhüttenstadt nicht selten angesehen wird, ganz anders vorgestellt. Zum Beispiel
so.
Welch Glanz in dem bescheidenen Hütte.
Während der deutsche Adel zur Frühlingsfrische die peripheren Landstriche am Rande der Republik durchmisst, ist dem Eisenhüttenstädter Bürgermeister der sozialistische Edelschick seines Hauses nicht wertvoll genug:
Während der deutsche Adel zur Frühlingsfrische die peripheren Landstriche am Rande der Republik durchmisst, ist dem Eisenhüttenstädter Bürgermeister der sozialistische Edelschick seines Hauses nicht wertvoll genug:
"Nach vielen Jahren Durststrecke geht es jetzt aufwärts", beendete der Bürgermeister seine Ansprache, in der er sich auch für den fehlenden Glanz des Rathauses entschuldigt hatte, für dessen Sanierung das Geld noch nicht gereicht hat, weil es an anderen Stellen dringender benötigt worden ist."Wohl wahr, diese Trutzburg ist kein Schloss Benrathhaus, aber bloß weil die Devise einst Womacka statt Gobelin hieß, musst man sich nicht gleich in vorauseilendem Gehorsam in Staub werfen. Es ist kaum zu erwarten, dass Prinz Franz und sein Entourage im Eisenhüttenstädter Verwaltungszentrum spätbarockes Muschelwerk mit Blattgoldüberzug erwartet haben, meinte Graf Pückler doch:
"Bis heute wussten die meisten nur, dass Eisenhüttenstadt eine Retortenstadt ist und mit Stahl zu tun hat. Mehr nicht."Den Retortencharakter teilt sich Eisenhüttenstadt übrigens mit so schmucken Residenzstädtchen wie Karlsruhe, das sich jedoch für eine Städtepartnerschaft 1987 mit Halle an der Saale entschied, womöglich, da Eisenhüttenstadt zu diesem Zeitpunkt schon durch Saarlouis (den XIV.) besetzt war. Dabei sehen sich das Friedrich-Wolf-Theater und so manches zentrales Gebäude in Karlsruhe gar nicht so unähnlich...Und was wäre wohl gewesen, hätte man den Ort statt mit dem profanen Aller-RGW-Weltsnamen Stalinstadt und dem so naheliegenden wie einfallsarmen Eisenhüttenstadt einst etwas poetischer benamst: Stalinsau z.B., oder Ulbrichtsruhe oder Honeckerswalde. Oder aber: Kiefernwald-Sandstadt.