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Ahoy! Ein Ausflug in die zweite sozialistische Stadt Deutschlands.

Weblog für eine alternative Stadtwahrnehmung

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Ahoy! Ein Ausflug in die zweite sozialistische Stadt Deutschlands.

Geschrieben von
Ben
in Theorie
Sonntag, 26. Juli 2009
2 Kommentare
Update 27.07.2009:

Auf einfachen Wunsch - der reicht uns mitunter - gibt es diesen Beitrag, der zugegeben etwas lang geworden ist, hier als PDF-Download für all diejenigen, die lieber im A4-Layout lesen.

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Ein Garten in Deutschland
„Oben auf dem Azaleenhügel hatte er sein Notizbuch gezückt, um einige seiner Eindrücke aufzuschreiben. Aber wo hätte er beginnen sollen? Allein die Aufzählung der Pflanzen, von denen er die meisten nicht kannte, hätte Seiten gefüllt, und alles, was er hätte notieren können, nacheinander, wäre doch nie der Synthese, der Simultaneität im ständigen Wechsel gerecht geworden. Er hatte einen Moment die Augen geschlossen und dann nur zwei Worte aufgeschrieben, die ihm plötzlich in den Sinn gekommen waren: „Schönheit und Ration.“


In seinem leider nicht durchgängig überzeugenden, aber insgesamt durchaus originellen Nachwende-Halbmärchen „Ein Garten im Norden“ aus dem Jahr 1998 schildert der gebürtige Stuttgarter Schriftsteller Michael Kleeberg (Berlin : Ullstein) die Fantasie seines Protagonisten, der in einem Wunschbuch einen hochintelligenten und erfolgreichen Banker namens Albert Klein in der Zwischenkriegszeit mitten in Berlin einen traumhaften Garten als weltoffene Alternative, ein Art anderes Deutschland, einen Raum der Begegnung und des Dialogs, eine Enklave eines besseren Zusammenlebens in der sich igelnden Engstirnigkeit und des dumpfen Nationalismus erschaffen und scheitern lässt.





„Was hätte aus Deutschland werden können, wenn nicht die Dunkelmänner und Welterlösungsbarbaren, von denen die Nazis nur die primitivste Form darstellten, das Sagen gehabt hätten, sondern die aufgeklärten, skeptischen, optimistischen Kosmopoliten und Hedonisten?“ – so formulierte der Münchner Literaturkritiker Thomas Kraft einmal die Leitfrage des Gedankenspiels. (In: Schwarz auf Weiss. Warum die deutschsprachige Literatur besser ist als ihr Ruf. Idstein: kookbooks, 2005, S. 69)



Nichts wird in dem Buch sichtbarer, als die Mühen der Ebenen in der Herausbildung einer deutschen Identität, die irgendwann sich um 1848 sehr spürbar ausbreiteten und sich bis 1995 und eigentlich bis heute fortsetzen. Die Unsicherheit des eigenen kulturellen Hintergrunds, die Möglichkeit der Identifikation mit einer Fahne, eine Hymne, einer Kultur, einer Zugehörigkeitsgefühl, das auf gelassenem Selbstbewusstsein und nicht auf forcierter Abgrenzung besteht, das weltgewandt und in sich stabil ist, blieb in beiden deutschen Staaten und in dem dritten, der den beiden 1990 folgte, erhalten.




Hoyerswerda: Zeitungskiosk im Wohnkomplex I


Die Planstadt als Zeichen


Die Planstädte der DDR waren doppelt gerichtete Zeichen: sie sollten sowohl nach Innen wie auch Richtung Westen zur Vergewisserung beitragen, dass der Sozialismus als Modell funktioniert und eine freie, unbelastete Alternative darstellt.


[Vorige Seite...] Samstagmittag die Einstein-Straße entlanglaufen, um zum Floristen, zur Bank oder zur Spielothek oder nach Hause zu gehen, schauen nicht herüber. Dabei ist die Anlage wirklich etwas, was Zuversicht ausstrahlen kann. Aber vielleicht waren sie auch schon alle da. Und immerhin kennen sie die Arbeiten vielleicht seit 34 Jahren. Dennoch: Die Rekontextualisierung von Vertrautem, was für uns in gewisser Weise diese kleine Tour darstellte, hilft, die eigenen Ansichten zu hinterfragen. Der Anlage nahe der Magistrale geht es um Reflexion. Reisen und Rückkehren hat – das wusste nicht nur der eingangs erwähnte Albert Klein – erfüllt einen ähnlichen Zweck. Vermutlich müssen wir ohnehin bald noch einmal zurück.




Steingarten im Stadtzentrum


Denn gern hätten wir gewusst, ob sich die frühen Hoyerswerdaer ähnlich intensiv mit ihrer Stadt verbunden fühlen, wie es die Stalinstädter Aufbaugeneration tut. Allerdings kam uns dieser Gedanke erst auf der Heimfahrt und bevor wir uns wie üblich in Zungenbrechern über den Cottbusser Kopfnussknacker, der die Cottbus Kopfnuss knackt, verloren.
Vielleicht waren die wenigen Jahre Abstand zwischen der Stadt an der Oder und der Stadt an der Elster ausreichend genug, um den Aufbau Hoyerswerdas zu einem routinierten Aufbaueinsatz werden zu lassen, bei dem Bautrupps nach Plan Zeilenbau an Zeilenbau aus der Fließstrecke des Betonwerks Groß Zeissig reihten, um später wieder abzuziehen, während die Bauarbeiter der Stalinstadt nicht selten in den Häusern selbst wohnen blieben und ins EKO wechselten. Hierüber können wir nur mutmaßen. Ein identifikationsspezifischer Vergleich wäre aber in jedem Fall ein wunderbares Thema für eine stadtsoziologische Untersuchung.




Wie man in Hoyerswerda den Bogen bekommt, um die Neustadt so umzugestalten, dass man in ihr nicht nur Küssen kann, sondern auch küssen will, ist eine Kopfnuss, an der die dortige Stadtentwicklung schon seit Franziska Linkerhand herum handwerkt und für die es womöglich gar keine Lösung gibt. Stadtentwicklungen sind, wie auch Gärten, dann, wenn sie als Planungsbogen das Atelier verlassen haben und beginnen Wirklichkeit zu werden, mehr als die Umsetzung von Schönheit und Ratio. Es sind Prozesse mit einem Eigensinn, der schwer kontrollierbar ist. Das gilt ganz offensichtlich genauso für den Auf- wie für den Rückbau von Planstädten.

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Anmerkung:
Die zitierten Textstellen aus Brigitte Reimanns "Franziska Linkerhand" folgen der Erstausgabe: Berlin:Verlag Neues Leben, 1974.

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Tags für diesen Artikel: andi leser, , Hoyerswerda
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#1 Anonym am 07/27/09 um 12:41 [Antwort]
tolle fotos!
Kommentar (1)
#1.1 Ben am 07/27/09 um 02:56 [Antwort]
Danke. Es gibt noch einige mehr bei Flickr.
Kommentar (1)
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