"Die Stadt starb wie eine Oase, deren Brunnen austrocknen - sie wurde verlassen, leerte sich, fiel in Vergessenheit. ..." (Ryszard Kapuscinski, aus: Eine Stadt wird zugemacht (Angola))
Nun ist er
selbst gestorben, Ryszard Kapuscinski, die vielleicht blühenste Oase im Reportagejournalismus, aber in Vergessenheit wird er als Chronist nicht zuletzt der dunkelsten Stunden der Weltgeschichte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht fallen. Und eigentlich müsste man sich jetzt einschließen und den Nachmittag damit verbringen, noch einmal quer Beet durch seine wunderbaren Berichte, Gedanken und Erinnerungen zu lesen... Das müssen wir verschieben, andere Aufgaben warten. Für heute bleibt nur diese mahnende Passage:
"...Wenn ich am Schreibtisch sitze, fühle ich mein Ende nahen. Der Schreibtisch besitzt nämlich noch eine gefährliche Eigenschaft - er kann als Instrument der Selbstrechtfertigung dienen. Das spüre ich in Zeiten der Krise, wenn ich nichts schreiben kann. Dann erscheint mir der Gedanke verlockend, mich hinter einem Schreibtisch zu verstecken. Ich schreibe nichts, weil ich den Kopf voll mit wichtigen Dingen habe, was geht mich das Schreiben an, das Schreiben ist nicht wichtig. Wir sind von der Schuld losgesprochen, der Schreibtisch ersetzt das Schreiben, wird zum Ersatzwert..." (aus: Ryszard Kapuscinski: Von der Heimkehr)
Hinausgehen, hinausgehen und sehen und spüren und erkennen. Und dann schreiben. Und das ist schwer, wenn wir uns für einen Weg entschieden haben, der den Menschen tagtäglich acht bis zehn Stunden an Bildschirme nagelt, wobei ein paar Minuten dazu dienen, diesen Blog mit dem anzureichern, was einem mit Bezug auf Eisenhüttenstadt so zu- und auffällt. So bleibt man der Schreibtisch- und Bildschirmperspektive verhaftet und kann nur kommentieren, was man selbst durchs Massenmedium Tageszeitung vermittelt bekommt.
Z.B. die missverständliche Überschrift im heutigen Online-Angebot der Märkischen Oderzeitung, wobei ich fast den Verdacht hege, dass dieser Griff zur Mehrdeutigkeit absichtlich erfolgte, um ganz sicher zu gehen, dass wir als eifriges Besprechungsorgan des Oder-Spree-Journals der MOZ an diesem Beitrag auch garantiert nicht vorbeigehen:
Mittel für Tiere und Kinder in Weißrussland.
Wer hier nach der Überschrift vermutet, dass neben den Kindern in Gomel auch ein dortiger Zoo unterstützt wird und sich ein wenig über die Reihenfolge der Aufzählung irritiert, läuft in die selbe Sackgasse, in die ich mich auch verrannte, zumal der erste Satz des Beitrags den Eindruck eher noch erhärtet als zerstreut:
Das Geld kommt zwei Eisenhüttenstädter Vereinen zu Gute - und damit eigentlich Affen, Ziervögeln und Rotwild sowie Kindern aus der weißrussischen Großstadt Gomel.
Aber es geht natürlich nicht um das Rotwild und seine Freunde in der Stadt, die immerhin den Luchs im Wappen führt, sondern um die Unterstützung einerseits des
Vereins Kinder von Tschernobyl e.V. und andererseits des
Fördervereins Tiergehege Eisenhüttenstadt. Beide erhielten vom City Center einen Scheck über jeweils 415 Euro, was angesichts der Aufwendungen, die beide Vereine zu schultern versuchen, nicht bedeutend viel mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein ist. Aber immerhin ein Tropfen.
Im Gegensatz zum Verein "Kinder von Tschernobyl" ist die im Web und damit für uns wahrnehmbare Öffentlichkeitsarbeit derer, die den Heimattiergarten am Leben halten wollen, leider ausgesprochen rudimentär und auch auf der
entsprechenden Webseite der Eisenhüttenstädter Freizeit- und Erholungs GmbH fehlt jeder Hinweis auf die Existenz des Fördervorhabens, von einer Kontaktadresse oder gar einer Bankverbindung für Spenden ganz zu schweigen. So ist es nicht leicht mit Engagement, wenn man weder voll in die Vereinsarbeit einsteigen noch an dem Vorhaben einfach tatenlos vorbeiziehen möchte. Sollten dem Verein vorerst Zeit und/oder Geld für die Einrichtung einer eigenen Webpräsenz fehlen, könnte unser
wiki.huettenstadt wenigstens mit den Kontaktangaben nachgerüstet werden...
Außer dem Thema "Spenden des City Centers" findet man in der MOZ-online heute eine Kurzreportage über die Industriekletterer auf den Hochöfen des ehemaligen EKO und heutigem Arcelor Eisenhüttenstadt (
Keine Zeit, die Aussicht zu genießen) und einen Überblick über aktuelle förderpolitische Aktivitäten in der Förderstadt Eisenhüttenstadt verschaffen:
Das Land (Motto: Stärken stärken!) setzt im Falle von Eisenhüttenstadt auf die Branchen Metallverarbeitung und Logistik.
So soll die Oder-Lausitz-Strasse gleich einem grauen Asphaltfaden weiter durchs Ostbrandenburgische trassiert werden. Zudem ist geplant, noch mehr Ansiedlungsland für das Industriegebiet am Oder-Spree-Kanal, in dessen Nähe sich ja schon einmal die Märkischen Elektrizitätswerke und andere Großunternehmen. ganz investitionswillig um den Aufbau von Schwerindustrie bemühten und sogar ein eigenes (Zwangs)Arbeiterwohnquartier betrieben, über das sich jetzt die Teerschleife des Zubringers zum gewerbefreien Gewerbegebiet ringelt, von städtischer Seite zu erwerben und zu erschliessen.
Dabei gilt:
Recycling aber ist Geschichte. "Das war in den 90ern, als sich 21 Interessenten für das IRZ interessierten", sagt Rainer Werner.
Jetzt sind es "Anfragen von Zulieferunternehmen für die Solarbranche in Frankfurt (Oder)", auf die man sein Kartenhaus der Hoffnung baut.
Und schließlich geht es auch noch um die - manchmal gefährlich schöne Schimäre - Tourismus:
Ein weiteres Vorhaben ist die Aufwertung des Bollwerks. Fahrgastschiffe und Touristenboote sollen künftig dort anlegen können. Der Uferbereich wird Perske zufolge neu gestaltet. 1,7 Millionen Euro stehen dafür in den nächsten Jahren bereit. Vom neuen Förderkonzept des Landes soll auch der Binnenhafen profitieren.
Das Bollwerk zum Boulevard für die Ausflugsschiffer! Warum nicht. Ein ganz gutes Restaurant gibt es dort bereits und vielleicht folgt dann noch weitere und der Fürstenberger Kiez entwickelt sich zu einem hübschen Hafenviertel. Ansonsten werden erfreulicherweise einige Kindertagesstätten und Schulen und auch das "Lesecafé neben dem Theater" generalüberholt. Laut offiziellem Eindruck gibt es also momentan wenig Grund zur allgemeinen Trübsal. Allerdings wird sich die Stadt wohl mit dem bitteren Nachgeschmack, dass es weitgehend der berühmte Fördertropf ist, der sie mit seinen Lösungen bzw. Zuschüssen am Leben erhält, noch ganz lange abfinden müssen. Aber selbst dieser Zustand hat hier eine derart weit zurückreichende Tradition, dass man fast zu glauben bereit ist, eine andere Variante wäre gar nicht denkbar...
Alles weitere zu den Vorhaben 2007: Millionen für die Infrastruktur
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