Bevor wir den Tag ganz ohne Nachricht verstreichen lassen, bringen wir einfach wieder ein Bild, diesmal aus dem Privatarchiv der Bloggruppe Ehst.:
Einträge von Ben
Bevor wir den Tag ganz ohne Nachricht verstreichen lassen, bringen wir einfach wieder ein Bild, diesmal aus dem Privatarchiv der Bloggruppe Ehst.:
... Aus diesem Grund sind wir Flickr-Fotomeister x**, der momentan erstklassige Fotos aus der Stadt gleich im Dutzend auf die Fotoplattform schaufelt, sehr dankbar, uns hier eine Erinnerungsaufnahme des P2-Blocks vor dem Abriss mitzugeben:
x** reichert glücklicherweise das fotografische Gedächtnis der Stadt an und ich hoffe, dass ich mich mit ihm nicht in die Wolle kriege, weil ich dem Originalbild noch einen kleinen Farbstich mitgegeben habe.
Floristik am Trapezblech: Ein Bild aus der Mittelschleuse.
Für eine wirklich stimmige Verbindung zwischen Text und Bild müsste die Lieblingsstrophe der Eisenhüttenstädter Metallurgenkinder aus dem Gassenhauer "Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad" leicht umgedichtet werden. Allerdings klingt "...Meine Oma hat nen Balkon mit Trapezblech/Mit Trapezblech, mit Trapezblech..." nur wenig spektakulär und ist obendrein schwer flüssig intonierbar. Deshalb halten es selbst die Hausgemeinschaften aus der Mittelschleuse, aus der die Aufnahme stammt, beim gemeinsamen Singen vermutlich mit der Urversion.
Foto: x* bei Flickr
Mit einer (leider wieder einmal) gründlich entsetzenden Meldung überrascht Andreas Wendt heute die Eisenhüttenstädter Leserschaft der Märkischen Oderzeitung:
Die Bahn will ab 2008 nach langen und zähen Verhandlungen zwei Millionen Euro in den Bahnhof Eisenhüttenstadt investieren und den vorhandenen Bahnsteig komplett wegreißen, um ihn durch zwei Außenbahnsteige zu ersetzen.
Entsetzend deshalb, weil die langen und zähen Verhandlungen als Resultat nicht anderes ergeben, als dass die Bahn AG ihre Position nahezu ohne Abstriche durchsetzen konnte und die Stadt bzw. die Stadtbevölkerung mit diesem Ergebnis bei genauer Betrachtung als begossener Pudel auf dem Bahnsteig stehen wird.
Denn das knauserige Sanierungszugeständnis "eines führenden internationalen Transport- und Logistikdienstleisters" der - hört, hört - "Zukunft bewegen" möchte, ist nichts anderes, als das was ohnehin landauf und landab geschieht: die Bahnhöfe werden auf eine pflegeleichte Linie in "robust und billig" heruntermodernisiert, so dass sie in die Stromlinien des DB-Bewirtschaftungskonzept passen.
Für Eisenhüttenstadt bedeutet dies vermutlich, dass die Anmutung des Bahnhofs demnächst dem des Haltepunktes Wiesenau entsprechen dürfte, mit mausgrau betonierten Bahnsteigen und jeweils einem Glasunterstellhäuschen pro Bahnsteig.
Wenn man sich ansieht, was die Bahnhofsmission von Rainer Werner und Jörg Vogelsänger als Ergebnis vorzuweisen hat, kann man eigentlich nur los prousten..
Was bleibt in Eisenhüttenstadt, ist das Erinnern, an all die Dinge, die verschwinden.
Der euphemistisch als "weiterer" bezeichnete Vorteil des neuen Haltepunktes dürfte der einzige sein: Ein barrierefreier Zugang, den man allerdings mit ein wenig Engagement auch am Stellwerk hätte zustande bringen können bzw. schon vor Jahren hätte umsetzen müssen. Das Armselige an der ganzen Aktion, die sowohl der Vermittler Jörg Vogelsänger wie auch Bürgermeister Rainer Werner jetzt als Erfolg zu verkaufen versuchen, ist, dass die Bahnhofsgebäude bis auf den Abriss der Zwischenbauten überhaupt nicht angerührt werden, obschon hier - und nicht beim Bahnsteig - der wirkliche Handlungsbedarf besteht.
Stattdessen wird der Bahnsteig untergepflügt und damit auch die Überdachung. Zusätzlich wird sicher die Unterführung verfüllt, so dass Fußgänger bei geschlossener Schranke die Gleise nicht mehr unterqueren werden können. Das sollte es dann in etwa auch gewesen sein. Und dabei entblödet man sich nicht, das Ganze als "Sanierung" anzupreisen. Aber wenn der Leser annimmt, dass man sich plumper gar nicht vorführen lassen kann, kommt in Gestalt jeweils einer Äußerung des Bügermeisters und des Stadtmanagers Wolfgang Perske gleich noch eine erstklassige Steigerung um die Ecke:
"Wir lassen erst die Bahn aktiv werden und kümmern uns danach ab 2009 um das Umfeld", kündigt Werner an.Der Mario Basler der Lokalpolitik lässt also lieber die anderen laufen, um danach abzustauben. Als ob die Gestaltung des Vorplatzes (neuer Parkplatz, neuer Taxistand, neue Straßenführung) an diesem "Zugeständnis" der Bahnvertreter, dass eigentlich eher eine "Zumutung" ist, gehangen hätte. Dass dann, obschon das Niveau ohnehin ganz schön flach gehalten wird, wirklich etwas passiert, wird im Rathaus nachträglich gleich noch einmal relativiert:
"Das alles setzt aber voraus, dass wir Fördermittel bekommen", sagt Perske."
So langsam ist es schwer erträglich, immer wieder vorgeführt zu bekommen, wie minderbemittelt diese Stadt sein muss... Man glaubt kaum, in welchen Abhängigkeiten die Stadt verflochten sein muss. Wenn es nur Wolfgang Perske und nicht auch um die armen restlichen Einwohner der Stadt träfe, wünschte man sich fast, dass die Kralinski'sche Fördermittelstreichungsforderung auch den hiesigen "Regionalen Wachstumskerns" (RWK) berücksichtigte, um dieser Selbstverständlichkeit des Subventionsdenkens den Zwang zu kreativeren Lösungen entgegen zu setzen.
Noch einmal zusammengefasst: Der Stadtmanager zeigt deutlich, dass er reiner Stadtverwalter und nicht etwa Stadtgestalter ist. Die Deutsche Bahn AG zeigt, dass sie am längeren Hebel sitzt. Der Bügermeister zeigt, dass er damit zufrieden ist und versucht in eher dürftiger Manier, das Debakel auch noch als Erfolg für Eisenhüttenstadt zu verpacken:
Am geplanten Verkauf der Bahnhofsimmobilie aber hält die Bahn nach Aussagen ihres Sprechers Auferkamp weiter fest. "Das Gebäude lässt sich aber im sanierten Zustand wesentlich besser vermarkten als jetzt", findet auch Bürgermeister Rainer Werner.Wir finden, er sollte noch mal nachlesen, was die Bahn plant: "den vorhandenen Bahnsteig komplett wegreißen, um ihn durch zwei Außenbahnsteige zu ersetzen". Nicht mehr und - man muss es so sagen - leider auch nicht weniger. Und wenn der Bagger beim Umschwenken zufällig eine Wand beschädigt, könnte man auch noch den Abriss des Gebäudes schneller einleiten, als so manch ein Verhandlungsführer der Eisenhüttenstädter Partei glauben mag.
P.S. Noch eine Information in eigener Sache: Der Eisenhüttenstadt-Blog ist mittlerweile neben anderen Brandenburger Regionalblogs auch über die Readers Edition lesbar.
But today, I realize that it's the papers (Jeru the Damaja)Gerade flutscht uns noch folgende Granate von Meldung durch den RSS-Feed:
Hoppla, das ist natürlich noch nicht die Meldung, sondern die Freigabe zur Veröffentlichung, die wir sehr gern nutzen:
Die Märkische Oderzeitung übermittelt Ihnen eine Nachricht, die wir in unserer Freitagausgabe veröffentlichen. Der Text ist unter Nennung der Quellenangabe zur Veröffentlichung frei.
Frankfurt/Oder (ots) - Frankfurt (Oder). Ostbrandenburg steht vor der nächsten Großinvestition: In Eisenhüttenstadt (Landkreis Oder-Spree) soll das größte deutsche Papierwerk entstehen. Wie die Märkische Oderzeitung aus Wirtschaftskreisen erfuhr, will das Unternehmen Prowell aus Offenbach voraussichtlich Anfang August eine Investition im Umfang von etwa 600 Millionen Euro bekanntgeben. Damit sollen insgesamt 700 Arbeitsplätze entstehen, darunter 200 direkte und 500 indirekte. Pro Jahr soll im Werk eine Million Tonnen Wellpappe-Rohpapier produziert werden können. Prowell teilte mit,
dass das Unternehmen derzeit noch in Verhandlungen steht. Das Wirtschaftsministerium wollte sich auf Anfrage nicht äußern.
Das Kerngeschäft der Firma Prowell ist die Produktion von Wellpappen-Formaten. Die Firma ist an neun Standorten in Europa, unter anderem im polnischen Poznan, tätig. Das Unternehmen produziert jährlich 300 000 Tonnen Papier. +++
Wir sind begeistert und freuen uns auf die Wellpappenwelle, die ab demnächst aus der größten(!) deutschen Papierfabrik durch die leergeräumten ehemaligen Wohngebiete der Stadt schwappen wird. Womöglich muss man bei 700 neuen Arbeitsplätzen allein durch diese Neuansiedlung die Bevölkerungsprognose und damit auch die Abrisspläne noch einmal korrigieren. Doch das steht ersteinmal auf einem ganz anderen Blatt. Während die Märkische Oderzeitung die Region mit ihrer Exklusivmeldung in Wallung versetzt, schieben wir ein Exklusivbild von heute aus dem Rathaus nach (Abbildung ähnlich):
Heute: Wie man es 1979 sah.
"Die erste sozialistische Stadt, Eisenhüttenstadt, sieht demzufolge schon ganz anders aus als die erste sozialistische Straße in Berlin. Es gab nun Stahl und Beton, um Hochhäuser zu errichten. Das aber ist nicht das eigentlich Neue an dieser Stadt. Sie entstand vielmehr als abgeschlossene Anlage mit einem Zentrum und den Wohnkomplexen gemeinsam mit dem Eisenhüttenkombinat, in dem sich die Zusammenarbeit zwischen zwei Völkern symbolisiert. Von unseren polnischen Nachbarn kommen nämlich Erz und Kohle für dieses Werk, und für unsere beiden Länder werden hier Eisen und Stahl produziert. Ein Stadt entstand für zwei Völker." - Hans Müller: Die Stadt - gestern und heute. Von den ersten Ansiedlungen bis zur Millionenstadt. Berlin: Der Kinderbuchverlag Berlin. 1979, S. 126f.
Die "Zweivölkerstadt" (wenn's mal so (gewesen) wäre..) musste dann trotz allem national-bautraditionellen Gestaltungswillen auf solch bombastische Prunkfassaden verzichten. Hans Müller schiebt's auf die Verfügbarkeit Stahl und Beton, heute weiß aber jedes Kind, dass es hauptsächlich ökonomische Faktoren und größere parteiliche Verwerfungen in Hinblick auf Fragen der Ästhetik waren, die am Ende selbst die nördliche Poststraße bestenfalls als kleines Geschwister des Paulick-Blocks erscheinen ließen. Und zudem führte die erste sozialistische Straße als Marschmeile ins Herz der Hauptstadt der DDR, die Straßen der ersten sozialistischen Stadt dagegen irgendwo weit im Osten über Pfeiffers Acker...Könnte ja auch ein Grund sein.
Foto: ehstiques bei ipernity
Heute: Baugesetzbuch (BauGB) § 171a
...
(2) Stadtumbaumaßnahmen sind Maßnahmen, durch die in von erheblichen städtebaulichen Funktionsverlusten betroffenen Gebieten Anpassungen zur Herstellung nachhaltiger städtebaulicher Strukturen vorgenommen werden. Erhebliche städtebauliche Funktionsverluste liegen insbesondere vor, wenn ein dauerhaftes Überangebot an baulichen Anlagen für bestimmte Nutzungen, namentlich für Wohnzwecke, besteht oder zu erwarten ist.
(3) Stadtumbaumaßnahmen dienen dem Wohl der Allgemeinheit. Sie sollen insbesondere dazu
beitragen, dass
1. die Siedlungsstruktur den Erfordernissen der Entwicklung von Bevölkerung und Wirtschaft angepasst wird,
2. die Wohn- und Arbeitsverhältnisse sowie die Umwelt verbessert werden,
3. innerstädtische Bereiche gestärkt werden,
4. nicht mehr bedarfsgerechte bauliche Anlagen einer neuen Nutzung zugeführt werden,
5. einer anderen Nutzung nicht zuführbare bauliche Anlagen zurückgebaut werden,
6. freigelegte Flächen einer nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung oder einer hiermit verträglichen Zwischennutzung zugeführt werden,
7. innerstädtische Altbaubestände erhalten werden.
...
Die Abrissraupe Nimmersatt nagt sich kräftig durch allerlei überflüssiges Wohngebiet in Eisenhüttenstadt. Ob allerdings die aktive Durchführung des „Wohnungswirtschaftlichen Strukturwandels in den neuen Bundesländern“ der diesen "anderen Nutzungen nicht zuführbaren" Hauseingang aus der Stadtlandschaft radiert, am Ende "nachhaltige städtebauliche Strukturen" hervorbringt oder einfach Ödland, ist nach den Erfahrungen im WK VII noch ganz offen.
Unser Tipp auch in diesem Fall: "verträgliche Zwischennutzung"...
Foto: ehstiques bei Flickr
P.S. Übrigens ist Eisenhüttenstadt bei einer ganz bestimmten Flickr-Gruppe hervorragend aufgestellt..
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