Naturgemäß sorgen die Lichtverhältnisse der Sommermonate für einen verstärkten Zufluss an Fotografien auch aus Eisenhüttenstadt auf den entsprechenden Webplattformen. Die Eisenhüttenstadt-Bildergruppe bei Flickr wächst und wächst und wächst und mittlerweile tauchen dort so viele Details auf, dass sich eine zwar nicht lückenlose aber durchaus sehr umfängliche Dokumentation des Stadtbildes entsteht. Vorausgesetzt die Daten bleiben dort erhalten, finden dort perspektivisch alle, die sich mit Eisenhüttenstadt in der zweiten Hälfte des ersten Jahrzehnts des 21sten Jahrhunderts beschäftigen wollen, üppig Zeugnisse dieser Zeit. Bedauerlicherweise zündet die Idee des Stadtwikis nicht im selben Umfang. Dies liegt vermutlich daran, dass einem sachlich-nüchternen Textmedium wie dem Wiki die ästhische Aura des fotografischen Blickes fehlt. Es begeistert nicht so sehr, macht aber dafür mehr Arbeit. Und wer zur Stadt schreiben will, der schreibt nach wie vor lieber ein Buch. Immerhin findet er dafür dank WWW von jedem Ort der Welt aus z.B. Fotografien der DTSB-Sporttafel, zeitgenössischer Vorgarteneinzäunung oder neu entstehender Kaufhallen. Mit den Aufnahmen kann man dann z.B. die in der Blogosphäre zu Eisenhüttenstadt auftauchender Assoziationen, Deutungen und Sprachbilder zusammenfügen:
Even in a slight breeze, 60-year-old Steffi Schultz has to clamp shut all the windows in her Seventies-built tower-block home in the town of Eisenhüttenstadt, close to Germany’s border with Poland. Opposite her kitchen window, a giant articulated hammer-drill controlled by faceless men in masks, goggles and helmets, bites its way into yet another of the 7,000 Communist-era flats that were completed in the year the Wall fell. They are all now being demolished, and despite the water jets that play constantly on the smashed living rooms, bedrooms and bathrooms from the bulldozers, the dust is everywhere.
Eisenhüttenstadt is the opposite of Berlin’s Prenzlauer Berg, but its predicament is shared by hundreds of similar towns and communities in the former Communist East. The town is literally dying on its feet.
So zitiert beschreibt beispielsweise A flat in Berlin in einer Betrachtung der Besonderheiten Ostdeutschlands recht präzise, wie es im Sommer 2009 in Eisenhüttenstadt aussieht. Das Abrissspektakel im WK VII dürfte in diesem Jahr vorbei sein, denn dann sind die dortigen Plattenbauten endgültig zur Wiese umkultiviert. Das muss gar nicht schlecht aussehen. Der Eierhof zum Beispiel erscheint dieser Tag als paradiesisches Feld, in dem nur noch vereinzelt Laternen die Erinnerung an die ehemalige Bebauung irrlichtern. Wenn man die kläglichen Vorstadtimitationen der Eigenheimbebauung in der Wilhelmstraße dagegen hält, wünscht man sich fast, man würde die Fläche lieber so belassen, als die Nichtarchitektur der Fertighaussiedlung hier zuzulassen. In ein paar Jahren könnte man dann einmal die Landesgartenschau nach Eisenhüttenstadt holen und etwas wirklich Sinnvolles aus dem Areal machen. Und am besten den überflüssigen Markendiscounter mit einer wie üblich unsäglich großen Parkplatzfläche auch wieder umpflügen. Leider wird dies nicht so schnell passieren und eher ist zu befürchten, dass sich nach und nach an der Hauptstraße der übliche abstoßende Mix aus Autohäusern, Schnellimbissen, Tanksäulen, Getränkenhändlern und ähnlichem breit macht. Noch wird allerdings abgetragen und auch jenseits von Flickr findet dieser Stadtrückbau seine Dokumentation in mancher Bilderserie.
"Unablässig drehen sich die Kräne. Am Haken haben sie bis zu 60 Tonnen schwere Betonteile, die punktgenau an die Stellen schweben, wo sie verbaut werden. Frank Bettermann schaut nur kurz rüber zum Ballett der sieben stählernen Riesen. Mehr Zeit bleibt ihm nicht, er muss schließlich alles im Blick behalten auf der riesigen Baustelle. Hier dreht er täglich seine Runde - und sieht, wie die Fabrik immer mehr Gestalt annimmt."
Was da so wunderbar nach besten Roheisen- und Karl Mundstock-Zeiten klingt, ist tagesaktuelle Reportageprosa zum Aufbau der Papierindustrie wo einst nur Sand und Kiefern waren. Frank Kaiser berichtet für die Märkische Oderzeitung vom Kanalufer über den industriellen Aufbruch in Gestalt "Deutschlands größte[r] Wellpappenrohpapierfabrik mit Europas größter Papiermaschine und der weltweit größten Altpapier-Aufbereitungstrommel": Bau der Superlative am Kanal.
Für den WK VII würde die zitierte Passage passenderweise so lauten:
Unablässig graben sich die Raupenbagger in den Schuttberg. In den Sortiergreifern haben sie tonnenschwere Betonteile, die sie punktgenau zerkleinern und auf den Abtransport zur Entsorgung vorbereiten. Abrissmeister Bernd Backenbrecher schaut nur kurz rüber zum Breakdance der stählernen Riesen. Mehr bleibt ihm nicht, er muss schließlich alles im Blick behalten auf der riesigen Brache. Hier dreht er täglich seine Runde - und sieht, wie die Leere immer mehr Gestalt annimmt. "Und bald kann sich meine Brigade zur Mittagspause dort hinten im Markendiscounter ein Zwiebelmettbrötchen besorgen. Aber erst die Abrissarbeit und dann das Vergnügen. Unglaublich, dass in diesem Bruchwerk einst Menschen leben mussten. Jetzt ist aber gut.", bemerkt der fröhliche Abbauleiter mit einem Zwinkern im Auge, von dem man nicht so recht sagen kann, ob es der Ironie oder dem groben Staub, der sich rechts und links des permanent auf die Abbaustelle einspritzenden Feuerwehrschlauches entfaltet, geschuldet ist. ...
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