Es ist wieder etwas ruhiger im Blog und dies wird sich mitunter ein Weilchen fortsetzen, da mir die Stadt dieser Tage in weiter Ferne und leider gar nicht so liegt. Mein Verantwortungsgefühl gegenüber der getreuen Leserschaft zwingt mich allerdings dazu, im Schnelldurchlauf wenigstens die Hauptthemen der vergangenen Woche aufzulisten.
Einen tiefen Einschnitt stellt für viele sicher der Tod Heinz Bräuers dar. Nach der beinahe blamablen Notiz in der
Märkischen Oderzeitung (online), gibt es heute eine Art Nachruf von Günter Fromm in der MOZ:
Pfarrer auf Mission in der Planstadt. Ein anderer (und besserer) Artikel über das Leben Heinz Bräuers erschien letztes Jahr in der
Berliner Morgenpost. Wir halten es aber lieber mit dem Sohn Günter Fromms und greifen als Erinnerung an Pfarrer Bräuer auf ein Fragebogen-Interview zurück, dass Alexander Fromm mit Heinz Bräuer 1997 führte und in der ZIELSCHEIBE veröffentlichte:
Fragebogen- Name: Heinz Bräuer
- Geburtsdatum/-ort: 16. September 1916 in Guben
- Leibgericht: Ich bin ein Allesesser.
- Lieblingsbuch: Natürlich die Bibel!
- Lieblingsautor: Ich habe keinen.
- Laster: Ich rauche nicht, ich trinke nicht. Ich habe mal geraucht, aber das ist lange her. Ich rauche schon seit 20 Jahren nicht mehr.
- artiger Schüler: Ein braver Schüler, aber nicht so gut.
- Vorbilder: Ja, gibt es. Den Fürstenwalder
Superintendenten Walther Hillebrand, meinen Konfirmator. Ich gehörte zu seinem ersten Konfirmandenjahrgang. Er führte mich durchs Studium. Er hat mich ordiniert. Wir waren bis zu seinem Tod Freunde.
- schönster Tag im bisherigen Leben: Mein Hochzeitstag. Da habe ich meine Frau bekommen.
- In welcher Zeit würden Sie gerne leben? Jetzt. Es gab zu allen Zeiten Nöte und Schönes, was wir heute nur nicht mehr erfahren. Ich bin interessiert daran, wie es bis zum Jahr 2000 und darüber hinaus weitergeht.
- Was mögen Sie gar nicht? Unpünktlichkeit kann ich nicht leiden.
- Was lieben Sie am meisten? Dass ein Wort etwas gilt, ich mich darauf verlassen kann.
- Was halten Sie von der heutigen Jugend? Genau so viel wie von der Jugend meiner Zeit, auch wenn man den Eindruck gewinnt, dass die Jugendkriminalität höher ist. Aber ich gebe getrost die Zukunft in die Hände der Jugend. Was auffällt, sind ja eher die
Ausnahmen. Es gibt so viele nette junge Menschen, aber die fallen eben nicht so auf und kommen auch nicht in die Zeitung. Die Jugend von heute ist nur lauter.
- Welche drei Dinge würde Sie auf eine einsame Insel mitnehmen? Ein Kochbuch, Streichhölzer zum Feuer machen und ein Licht, um Schiffen Zeichen zu geben.
- Was ist für Sie der Sinn des Lebens? Es gibt keinen generellen Sinn des Lebens. Jeder ist einzigartig. Jeder muss seinen eigenen Sinn finden.
Eisenhüttenstadt, 11.3.1997 (aus: ZIELSCHEIBE, Nr. 22, April 1997, S. 10)
Lage und Zukunft der Kultur in Eisenhüttenstadt waren in vergangene Woche Thema im städtischen Kulturausschuss und die Märkischer Oderzeitung weist in ihren Lesern gleich in der Überschrift zu Janet Neisers Report die Richtung:
"Kultur ist ein Zuschussgeschäft". Einen wenig kostenintensiven Anteil nimmt dabei die geplante Umbenennung der Stadtbibliothek ein, die sich - vielleicht von der
Leuchtturm-Bücherei-Amöbe der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus orientiert - demnächst etwas dick auftragen mit dem Namen "Informations- und Kommunikationszentrum Stadtbibliothek Eisenhüttenstadt" präsentieren könnte.
Der Tourismusverein soll dahin ziehen, wo die Stadtbibliothek auch einmal war, nämlich neben das Friedrich-Wolf-Theater, was keine so verkehrte Variante ist, da sie den Kartenverkauf für das Friedrich-Wolf-Theater mitübernimmt:
"Und was wird dann aus der Kassiererin des Theaters?", wollte Ausschussmitglied Günter Fromm (CDU) wissen. "Die Kollegin ist bereits zu diesem Zeitpunkt in Altersteilzeit", versuchte Chvosta zu beruhigen. Der Posten wird nicht neu besetzt, genauso wenig wie der im Museum, wo seit einigen Monaten eine Fachkraft aufgrund der Altersteilzeitregelung fehlt. Obwohl selbst Wolfgang Perske anmerkte: "Selbstverständlich spüren wir das. Aber Fakt ist, dass wir seit Jahren Personal abbauen." So wie es die kommunale Aufsichtsbehörde verlange.
Die Verlagerung des Kartenverkaufs aus dem Theater und zum Tourismuserein wird übrigens als "eine regelrechte Symbiose" verkauft. Das klingt immerhin besser als "Ausweichlösung". Im Museum rutscht man aufgrund der Personalsitation mitterweile in eine Qualitätsdiskussion, die beim Feuerwehrmuseum anscheinend schon recht akut ist:
"Der finanziell nicht realisierbare Erhaltungs- und Pflegeaufwand für die Unikate der feuerwehrhistorischen Entwicklung führte zu einem Stillstand in Forschung und Präsentation", so Museumsleiter Hartmut Preuß.
Mit Freilichtbühne ist obendrein ein neue Kostenfaktor in den Plan geraten, der allerdings, so die Pläne, über die "Erschließung weiterer Finanzpartner" etwas abgefedert werden soll. Abefedert wird übrigens auch gerade im Tiergehege, das seinen Tierbestand gerade zum Preis auf Verhandlungsbasis üppig zu
reduzieren gezwungen ist. Dies hat aber hoffentlich in erster Line mit der Fruchtbarkeit der Tiere und weniger mit dem Tröpfeln der Einnahmen zu tun. Einige Pantengänse wurden übrigens, wie ich erfahren durfte, vom "Fuchs (o.ä.)"[sic!] gestohlen.
So spürt man kulturell etwas herbstliche Stimmung aufziehen, wobei Stadtmanager Wolfgang Perske die beruhigenden, allerdings auch wenig verbindlichen Worte einschiebt: "Wir haben nicht die Absicht, städtische Einrichtungen platt zu machen" beiträgt. Die stabilste Brücke baut er mit solcher Floskelei aber nicht gerade.
Für ihn und auch für den Bürgermeister sicher erfreulicher und dringlicher ist das Wirtschaftsinvestitionswunderland, als das sich Eisenhüttenstadt
zu etablieren scheint, allerdings mit nach wie vor relativ hoher Arbeitslosigkeit:
"Die Arbeitslosenquote von 13,4 Prozent im Landkreis ist immer noch zu hoch", betonte auch Jörg Vogelsänger, der Vorsitzende der SPD Oder-Spree und Bundestagsabgeordnete. "Acht Prozent wären ein ordentlicher Durchschnitt, aber bis dahin haben wir noch viel zu tun", sagte Eisenhüttenstadts Bürgermeister Rainer Werner, der zuvor mit einem Vortrag über die neuen Unternehmensansiedlungen in seiner Stadt, die Laune der SPD-Mitglieder ankurbeln wollte. In den nächsten zwei Jahren werde es Gesamtinvestitionen von 1,4 Milliarden Euro geben. Eine Erfolgsstory, die ausstrahle. Erstmalig äußerte sich Werner auch öffentlich, dass der russische Energieriese Gazprom Interesse daran habe, sich in der Stadt anzusiedeln. Zudem gebe es weitere Gespräche mit Unternehmen aus der Solarindustrie. "Wir bleiben hier weiter am Ball. Bürgermeister Rainer Werner hat meine volle Unterstützung für eine verbesserte Anbindung der Stadt auf Straße, Schiene und Wasserstraße. Gleiches betrifft die notwendige Erschließungsstraße für das Industriegebiet", versprach Vogelsänger. Die Anbindung an die A 12 muss in den nächsten fünf Jahren kommen, forderte Fehse.
Die "Erfolgsstory EHST" strahlt vielleicht aus, wird aber an der Zahl der Arbeitslosen nur in geringer Form etwas ändern, denn bekanntlich sind die Industrien, die wirtschaftlich in Deutschland zu betreiben sind, kaum arbeitsplatzintensiv.
Post-industrielle Gesellschaft bedeutet nicht, dass es keine Industrieproduktion mehr gibt, sondern, dass die Zahl der in der Industrieproduktion Beschäftigten einen vergleichsweise geringeren Anteil an der Gesamtzahl der Beschäftigten einnimmt. So wird an den Schalthebeln der Taktstraße der Papierfabrik auch nur eine Handvoll Hochqualifizierter dafür sorgen, dass für Prowell der Laden brummt. Man braucht für durchstrukturierte Abläufe auch in dieser Größenordnung vermutlich kaum mehr personal, als für den Betrieb eines Einkaufzentrums. Die bombige Investitionssumme in die Wirtschaftslandschaft einer schon beinahe abgeschriebenen Region ist in Hinblick auf den Arbeitsmarkt eher von symbolischer Wirkung. Aber vielleicht investieren Prowell und Gazprom einen Teil ihrer hier auflaufenden Einnahmen in die städtische Kultur, so dass sich das Museum doch noch neue eine Fachkraft und das Theater eine eigene Kassiererin leisten kann. Der Tourismusverein kann ja trotzdem noch abseits der Abendkasse Eintrittskarten verkaufen.
Ach so: Das Amtsgericht wird vermutlich schließen, nachdem "Justizministerin Beate Blechinger (CDU) ihr Todesurteil gefällt hat." (
MOZ).
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