"Durch die Erschaffung von Städten erschaffen wir uns selbst. Wenn wir unsere Städte ruinieren, ruinieren wir uns selbst. Unsere liebsten Erinnerungen werden dann von Verbitterung vergiftet, einem Gefühl unwiederbringlichen Verlustes, sogar des Hasses auf das, was wir am meisten schätzten. Auf diese Weise flüchten wir vor der Welt und vor uns selbst. Ein schönes Dorf, ein schönes Haus, eine schöne Stadt kann für uns alle ein Zuhause werden, eine universelle Heimat."
In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Merkur findet sich eine erschreckend dürfig zusammengezimmerte Schmähschrift wider der modernen Architektur des britischen Philosophen und - so die Wikipedia - Fuchsjägers Robert Scruton, der einerseits das so lobenswerte wie natürlich wenig originelle Anliegen einer Generalkritik der oft recht unsensiblen Großprojektholzerei von Norman Forster und Konsorten zu dem seinem macht, dabei aber in eine derart erzkonservative "Zurück zum Dorf"-Stimmungsmache verfällt, dass man ihn beinahe reaktionär schimpfen möchte. Bei dieser Gelegenheit zitiert er den Planstadtprojektanten Léon Krier, dessen Kleinstadtidylle Poundbury in Dorset Scruton zum neuen urbanistischen Ideal ausruft. Die oben angeführte Aussage Kriers ist dank ihrer Allgemeinheit natürlich auch in anderen Zusammenhängen gültig, beispielsweise und besonders auch in der Planstadt Eisenhüttenstadt, die immerhin im WK III durchaus Scrutonische Idealstrukturen aufweisen dürfte. Kriers "Zehnminuten-Regel [...] die besagt, dass es für jeden Bewohner der Stadt möglich sein sollte, innerhalb von zehn Minuten zu den Orten zu gehen, die der eigentliche Grund dafür sind, dass er unter Fremden lebt" wurde dort wie auch im II.Wohnkomplex mustergültig eingehalten, wenn nicht sogar unterboten. Einzig der Bahnhof liegt bis heute eine Ewigkeit entfernt. Dafür war der Anspruch der sozialistischen Stadt obendrein, die Fremden zu Vertrauten bzw. zu Gleichen zu machen, in dem man sie in einem Kollektiv - z.B. der Hausgemeinschaft - zusammenführte.
Inwieweit dies heute noch ein Ideal ist, kann ad hoc nicht ermittelt werden. In der Saarlouiser Straße 88 wird sich jedoch das Thema "Hausgemeinschaft" demnächst erledigt haben, denn die Gebäudewirtschaft hat selbigen Aufgang auf die aktualisierte Abrissliste gesetzt, die heute in der Märkischen Oderzeitung ihre Veröffentlichung erfährt. Wie so oft sind die Noch-Bewohner der betroffenen Objekte nicht nur begeistert. Aber die Wohnungseigentümer haben aus den umfänglichen Erfahrungen vergangener Abrisstätigkeiten ein Stückweit gelernt und bieten Aus- und Umzugshilfen:
Das Umzugsmanagement der GeWi soll gerade Älteren unter die Arme greifen - jährlich lässt sich das Unternehmen den Umzug seiner Mieter - von GeWi-Wohnung zu GeWi-Wohnung - 1,8 Millionen Euro kosten. "Bei dringendem Bedarf, insbesondere bei älteren Mietern, übernehmen wir zusätzlich das Einpacken und Auspacken sowie die Demontage und Montage der Möbel", heißt es in einem Informationsbrief des Vermieters.So manch jüngerer Mieter zieht dagegen, Beispiele dafür gibt es einige, lieber gleich von der GeWi-Wohnung in eine andere Stadt, weil das Verhältnis des lokalen Mietpreisniveaus mit der Lebensqualität des Umfelds nicht mehr allzu ausgeglichen erscheint oder einfach keine adäquate Ersatzwohnung aufzutreiben ist. Hilfestellung ist in diesen Fällen sicher nicht zu erwarten. Man nennt das Phänomen äußerst passend auch Freizügigkeit und darf gespannt sein, ob die denkmalsanierte Schrumpfstadt am Ende dennoch irgendwann das städtische Flair entwickelt, dass sie verdient. Ihr Vorteil ist dabei ein denkbar niedriges Ausgangsniveau.
Völlig unbelastet von solch schweren Stadtentwicklungsthemen hat dagegen ein Markus auf einer Plattform namens "Nur 15 Minuten" herrlich dadaistisch den Stadtnamen varriiert: Eisbeingrützenstadt, Eigenheitenstadt, Eisenstangensta(a)(d)t (vgl. auch hier), Heißepfützenstadt und Eichhörnchenhüttenstadt sind sehr gelungene Varianten, die man bei eventuell aufkommenden Umbennungsdebatten unbedingt berücksichtigen sollte.