Selbstverständlich möchte ich den Blog, dieses grandiose Medium für die virtuelle Weltgemeinschaft, nutzen, um mit meinem philatelistischen Halbwissen zu protzen wie weiland Friedrich der Gebissene mit dem Erbe seines Großvaters.
Da Eisenhüttenstadt ein Wunschkind sozialistischen Aufbauwillens und damit als Gesamtobjekt ein außerordentlicher Meilenstein der offiziellen Ikonographie der DDR war, hat es sich die Deutsche Demokratische Postverwaltung nicht nehmen lassen, einige Briefmarkenausgaben geradewegs mit diesem Motiv auszuführen.
Nach kurzer, anstrengender Suche (einmal über den Bürostuhl ganz aufs Regal um das eingestaubte Einsteckalbum herunterzuholen) ist es mir gelungen, zwei wunderschöne Exemplare aus meinem Besitz aufzufinden, die ich hier gern teile.
Das erste vorliegende Exemplar erschien im Rahmen der Feierlichkeiten zum 20sten Jahrestag der Staatsgründung und wurde am 23. September 1969 in einer Reihe von 12 Einzelmarken verausgabt, die allesamt Errungeschaften der sozialistischen Baukultur vom Haus der Schiffahrt in Rostock, dem Dresdner Kulturpalast und dem Strausberger Platz in Berlin präsentieren.
Die Eisenhüttenstadt-Marke des Satzes bekam im Michel-Briefmarken-Katalog die Nummer 1498 zugewiesen und ist damit offiziell die 1498ste Marke der DDR-Ausgabe-Geschichte, die dann schließlich mit dem trojanischen Doppelgefäß der Schliemanngedenk-Emission vom 2. Oktober 1990 bei Nummer 3365 ihr Ende fand.
Ihr Frankaturwert belief sich auf 10 Pfennig, der aktuelle Wert ist nicht nennenswert höher, so dass man den gesamten Satz bei einem Briefmarkenhändler seines Vertrauens, sofern man einen findet, denn in Eisenhüttenstadt gibt es meines Wissens nach seit mindestens 10 Jahren keinen mehr, für nicht mehr als 2 € bekommen dürfte.
Das zweite Exemplar aus meiner Mikrokollektion an Eisenhüttenstadt-Philatelie, das mir leider nur mit Eckenknick erhalten ist, weist einen noch deutlicheren Stadtbezug auf, erschien die Marke doch am 10. Juni 1975 um dem 25sten Gründungsjubiläum der steingewordenen sozialistischen Stadtbauutopie zu huldigen - womit ganz nebenbei nachträglich der Streit geschlichtet sein dürfte, ob man sich denn im Jahr 2000 in der Lindenallee zu recht auf den 50jährigen Stadtgeburtstag betrunken hat.
Abgebildet ist die wunderbare himmelhohe Ode auf die sozialistische Wissenschaft von Walter Womacka am ehemaligen Kaufhaus Magnet (erbaut 1958-1960, heute Lindencenter inklusive der Diskothek "Magnet") , der übrigens vor zwei Jahren von der Stadt Eisenhüttenstadt, vermutlich gerade wegen seiner ästhetischen Verdienste, ordentlich abgewatscht wurde:Womacka darf nicht ins Goldene Buch von Eisenhüttenstadt (WELT vom 25.09.20064). Wer sich über diese Darstellungsform und Technikgläubigkeit des damaligen Wissenschaftswunschtraums im vermeintlich überlegenen Gesellschaftssystem beschwert, der hat noch nicht die Ausgestaltung des Festsaals im Rathaus von Oslo gesehen, gegen die sich das Womackasche Mosaik geradezu dezent ausnimmt.
Im Katalog hat die Marke die Nummer 2053 zugewiesen bekommen. Die DDR-Post hat sie in einer Stückzahl von schätzungsweise 7 Millionen an Schalter und Abo-Dienst verteilt, so dass man den kleinen Kunstdruck für weitaus weniger als dem Gegenwert eines Apfels und/oder Eis bei vermutlich jedem ostdeutschen Händler finden dürfte.
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