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„Oben auf dem Azaleenhügel hatte er sein Notizbuch gezückt, um einige seiner Eindrücke aufzuschreiben. Aber wo hätte er beginnen sollen? Allein die Aufzählung der Pflanzen, von denen er die meisten nicht kannte, hätte Seiten gefüllt, und alles, was er hätte notieren können, nacheinander, wäre doch nie der Synthese, der Simultaneität im ständigen Wechsel gerecht geworden. Er hatte einen Moment die Augen geschlossen und dann nur zwei Worte aufgeschrieben, die ihm plötzlich in den Sinn gekommen waren: „Schönheit und Ration.“
In seinem leider nicht durchgängig überzeugenden, aber insgesamt durchaus originellen Nachwende-Halbmärchen „Ein Garten im Norden“ aus dem Jahr 1998 schildert der gebürtige Stuttgarter Schriftsteller Michael Kleeberg (Berlin : Ullstein) die Fantasie seines Protagonisten, der in einem Wunschbuch einen hochintelligenten und erfolgreichen Banker namens Albert Klein in der Zwischenkriegszeit mitten in Berlin einen traumhaften Garten als weltoffene Alternative, ein Art anderes Deutschland, einen Raum der Begegnung und des Dialogs, eine Enklave eines besseren Zusammenlebens in der sich igelnden Engstirnigkeit und des dumpfen Nationalismus erschaffen und scheitern lässt.
„Was hätte aus Deutschland werden können, wenn nicht die Dunkelmänner und Welterlösungsbarbaren, von denen die Nazis nur die primitivste Form darstellten, das Sagen gehabt hätten, sondern die aufgeklärten, skeptischen, optimistischen Kosmopoliten und Hedonisten?“ – so formulierte der Münchner Literaturkritiker Thomas Kraft einmal die Leitfrage des Gedankenspiels. (In: Schwarz auf Weiss. Warum die deutschsprachige Literatur besser ist als ihr Ruf. Idstein: kookbooks, 2005, S. 69)
Nichts wird in dem Buch sichtbarer, als die Mühen der Ebenen in der Herausbildung einer deutschen Identität, die irgendwann sich um 1848 sehr spürbar ausbreiteten und sich bis 1995 und eigentlich bis heute fortsetzen. Die Unsicherheit des eigenen kulturellen Hintergrunds, die Möglichkeit der Identifikation mit einer Fahne, eine Hymne, einer Kultur, einer Zugehörigkeitsgefühl, das auf gelassenem Selbstbewusstsein und nicht auf forcierter Abgrenzung besteht, das weltgewandt und in sich stabil ist, blieb in beiden deutschen Staaten und in dem dritten, der den beiden 1990 folgte, erhalten.
Die Planstadt als Zeichen
Die Planstädte der DDR waren doppelt gerichtete Zeichen: sie sollten sowohl nach Innen wie auch Richtung Westen zur Vergewisserung beitragen, dass der Sozialismus als Modell funktioniert und eine freie, unbelastete Alternative darstellt.